Es muß nicht immer Kaviar sein
Sie aus Frèsnes geholt habe.«
»Ich fürchte, ich weiß es«, sagte Thomas gottergeben. »Ich nehme an, es bedeutet, daß ich jetzt wieder für Sie arbeiten muß, Oberst Débras!«
»Das bedeutet es, ja.«
»Eine Frage noch: Wer hat Ihnen in Paris erzählt, daß ich verhaftet bin?«
»Der Bankier Ferroud.«
Guter, alter Ferroud, dachte Thomas. Danke. Danke.
Thomas fragte: »Was haben Sie mit mir vor, Oberst Débras?«
Der Freund Josephine Bakers musterte Thomas freundlich. »Sie sprechen doch Italienisch – oder?«
»Doch, ja.«
»1940, als die Deutschen unser Land überfielen, da machten sich im letzten Moment, als es schon
garantiert
ungefährlich war, auch noch die Italiener mausig und erklärten uns den Krieg. Einer der ärgsten Bluthunde, die damals den Süden Frankreichs terrorisierten, war der General Luigi Contanelli. Er hat sich rechtzeitig Zivil angezogen …«
»Wie die meisten Herren Generäle.«
»… und ist untergetaucht. Soviel wir wissen, irgendwo in der Nähe von Neapel.«
Achtundvierzig Stunden später war Thomas Lieven in Neapel.
Rund elf Tage später verhaftete er in dem Dorf Caivano nordöstlich von Neapel den General Contanelli, der sich hier – der Not gehorchend, nicht der eignen Tugend – gerade als Schafhirte versuchte.
Mit seinem illustren Gefangenen nach Paris zurückgekehrt, erklärte Thomas dem Oberst Débras zu gemütlicher Abendstunde in einer gemütlichen Bar: »Es war eigentlich alles ganz einfach. Der amerikanische CIC hat mir sehr geholfen. Reizende Jungen. Auch über die Italiener kann ich nicht klagen. Sie haben nichts übrig für Generäle. Es scheint aber, daß die Italiener leider auch für die Amerikaner nichts übrig haben. Gott sei’s geklagt.« Und dann erzählte Thomas von seinem italienischen Abenteuer.
Er war noch hinter seinem Schafhirten-General her und suchte wieder einmal das Hauptquartier des CIC (des Counter Intelligence Corps) auf, um sich neue Informationen zu holen, als er Zeuge einer seltsamen Szene wurde.
Wütend und hysterisch rannten die amerikanischen Geheimagenten umher, schrien durcheinander, gaben Befehle, um sie im selben Atemzug zu widerrufen, telefonierten wild und schrieben sozusagen am laufenden Band Verhaftungsbefehle aus.
Thomas erfuhr alsbald, was geschehen war. Vor drei Tagen hatte noch ein großer amerikanischer Frachter im Hafen gelegen, die »Victory«, mit Lebensmitteln für die amerikanischen Streitkräfte in Italien. Seit Sonntag war die »Victory« verschwunden, niemand wußte, wohin. Eine italienische Dienststelle schob der andern ebenso die Schuld zu wie eine amerikanische Dienststelle der andern.
Was war mit der »Victory« geschehen? Sie konnte sich doch nicht in Luft aufgelöst haben! Thomas Lievens Neugier erwachte. Er ging in den Hafen, trieb sich in Spelunken und Kneipen herum und landete zuletzt bei »Luigi«.
Luigi sah aus wie der Schauspieler Orson Welles, betrieb ein kleines, schmutziges Freßlokal und war außerdem Hehler, Fälscher und Bandenchef.
Auf Anhieb empfand Luigi brüderliche Gefühle für den eleganten Zivilisten mit dem wissenden, ironischen Lächeln. Diese Sympathie steigerte sich noch, als Luigi erfuhr, daß Thomas Deutscher war.
Kaum zu glauben: Was der CIC nicht herausbekam, bekam Thomas in wenigen Stunden heraus. Er lernte bei Luigi sogar die Herren kennen, die das Ding mit der »Victory« gedreht hatten.
Dieses Ding sah so aus: Am vergangenen Sonntag hatte die Besatzung des Transportdampfers Landurlaub gehabt. Nur eine Wache blieb an Bord. Luigis Freunde inszenierten auf der Mole, direkt vor dem Fallreep, eine Schlägerei zwischen drei hübschen Mädchen, von denen eines gellend um Hilfe schrie. Ritterlich eilte die Schiffswache der bedrängten Schönen zu Hilfe. Dunkelhäutige Neapolitaner mischten sich ein; es kam zu einer wilden Schlägerei! Indessen ruderten von Backbord Luigis Freunde, als Matrosen verkleidet, an die »Victory« heran und kaperten sie. Blitzschnell lösten sie die Taue, lichteten den Anker, fuhren das Schiff aus dem Hafen hinaus und um eine Landzunge herum bis nach Pozzuoli.
Hier ankerten sie wieder. Die Fracht wurde in bereits wartende Lastwagen verladen. An Bord fanden sich Konserven, gefrorenes Geflügel, Früchte, Zucker, Reis, Mehl, alkoholische Getränke jeder Art, einige Zentner Zigaretten und einige tausend Büchsen Gänseleberpastete.
Die Seeräuber hatten sich nicht ohne Grund Pozzuoli als Anlegeort ausgesucht. Hier standen riesige
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