Es muß nicht immer Kaviar sein
wurde weiß. »Was soll ich da?«
»Du wirst mit deinem Freund Valentine reden. Du wirst dafür sorgen, daß er den Schmuck von Waldau herausrückt. Und wenn ihr beide euch danach noch das Geringste zuschulden kommen laßt, dann geht ihr beide hoch!«
»Hör mal, du Lumpenkerl, und heute nacht hast du vergessen, was?«
Thomas hob die Augenbrauen: »Nacht ist Nacht, und Dienst ist Dienst.«
Das Kaffeetablett kippte um. Geschirr zerbrach. Sie stürzte sich auf ihn mit Gebrüll, mit Zähnen und Krallen. »Du Hund – ich bringe dich um!«
An diesem Abend, er war traurig und kalt, fuhr ein schmutziger Jeep in die Stadt Baden-Baden ein. Thomas Lieven saß am Steuer. Vera Prinzessin von C. saß neben ihm.
Jetzt beging er
noch
einen Fehler! Er ging mit Vera in sein Büro in der Wilhelmstraße 1. Dann rief er den Lieutenant Valentine herbei. Valentine zuckte zusammen, als er Vera erblickte. Thomas redete beiden ins Gewissen.
»Ich verstehe kein Wort«, sagte der Lieutenant kalt. »Ich werde mich über Sie beschweren, mon Capitaine, ich …«
»Halt die Schnauze, Pierre«, sagte die Prinzessin sachlich. »Er weiß alles.«
»Was weiß er?« ächzte Valentine.
Vera sah Thomas an. »Kann ich fünf Minuten allein mit ihm sprechen?«
»Meinetwegen«, sagte Thomas. Das war er, der Fehler!
Er verließ sein Büro und setzte sich in die Halle. Die Tür seines Büros ließ er nicht aus den Augen. Ich bin ja nicht dämlich, dachte er.
Eine Zigarettenlänge später wurde ihm glühend heiß, und er wußte plötzlich, daß er doch dämlich gewesen war. Sein Büro lag im ersten Stock. Und das Fenster war nicht vergittert! Er raste zurück. Das Zimmer war leer. Das Fenster stand offen …
Zehn Minuten später ratterten im ganzen Lande Fernschreiber und Telegraphen los:
20 uhr 14 stop 6 nov 45 stop von: franz. kriegsverbrechersuchdienst b-b stop an alle militärpolizeiverbände stop an alle cic und cid-einheiten stop suchen sie und verhaften sie unverzüglich …
Bereits um 4 Uhr 15 am 7. November verhaftete eine französische Militärpatrouille Pierre Valentine im Wartesaal des Bahnhofs von Nancy, als er gerade eine Karte nach Basel löste.
Die Fahndung nach der Prinzessin Vera von C. verlief ergebnislos. Sie blieb verschwunden.
Der verhaftete Lieutenant wurde nach Paris ins Militärgefängnis überführt. Von General Pierre König, dem Oberbefehlshaber der französischen Streitkräfte in Deutschland, persönlich wurde Thomas Lieven ersucht, alles erreichbare Material gegen Valentine zusammenzutragen. Diese schmutzige Arbeit nahm unseren Freund bis Anfang Dezember in Anspruch. Vier weitere Franzosen wurden verhaftet.
Um es vorwegzunehmen: Lieutenant Valentine und seine Freunde wurden in Paris vor Gericht gestellt. Am 15. März 1946 wurden sie degradiert und zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt.
8
Am 3. Dezember wurde Thomas Lieven ins Hauptquartier General Königs gerufen.
Dieser sagte zu ihm: »Ich danke Ihnen aufrichtig dafür, daß Sie geholfen haben, diesen üblen Subjekten das Handwerk zu legen. Wir sind keine Armee von Räubern und Banditen. Wir wollen Ordnung und Gerechtigkeit in unserer Zone.«
Wurde Thomas Lieven am 3. Dezember von General König empfangen, belobigt und bedankt, so erhielt er am 7. Dezember den folgenden Brief:
DAS KRIEGSMINISTERIUM
DER FRANZÖSISCHEN REPUBLIK
Paris, 5. Dez. 1945
Capitaine René Clairmont
Armee-Serien-Nummer S 324 213
Kriegsverbrecher-Suchdienst
Baden-Baden
Vorgang: CS Hr. Zt. 324/1945
Anläßlich der Voruntersuchung zu dem Militärgerichtsverfahren gegen Lieutenant Pierre Valentine und Mitangeklagten haben wir vom ›Deuxième Bureau‹ Ihre Personalakte angefordert.
Aus dieser Akte, zu der ein führender Beamter des ›Deuxième Bureau‹ uns noch Erläuterungen gab, geht hervor, daß Sie während des Krieges Agent der Deutschen Abwehr Paris gewesen sind. Sie werden verstehen, daß ein Mann Ihrer Vergangenheit im Rahmen unseres Kriegsverbrecher-Suchdienstes absolut untragbar ist. Oberst Maurice Débras, der Sie seinerzeit in diese Organisation übernahm, gehört seit vier Monaten dem Dienst nicht mehr an.
Sie werden hiermit aufgefordert, bis zum 15. Dezember 1945, 12 Uhr mittags, Ihre Büroräume in Baden-Baden zu räumen und Ihrem Vorgesetzten sämtliche Schriftstücke, Akten, Stempel und Unterlagen sowie Ihre Militärpapiere und Ausweise zu übergeben. Sie sind ab sofort vom Dienst suspendiert. Weitere Weisungen erfolgen umgehend.
Darunter
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