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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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fehlanzeigen sofort melden an major loos, leiter sondergruppe z, hauptquartier gfp paris – bei verhaftung lievens nur in äußerstem notfalle von waffe gebrauch machen – ende –
     
    Während dieses Fahndungsschreiben die Geheime Feldpolizei und viele Wehrmachtsangehörige aufschreckte – zum Beispiel jenen Hauptmann, der am 16. Juni in Tours einem gewissen Murphy fünf Kanister deutsches Wehrmachtsbenzin zur Verfügung gestellt hatte –, kletterte der so nachdrücklich gesuchte Thomas Lieven in der Rue des Bergères zu Toulouse vergnügt aus seinem kleinen Peugeot. Zufrieden klemmte er eine schwarze Tasche unter den Arm und warf den Wagenschlag zu.
    Im »Chez Jeanne« schliefen die fröhlichen Mädchen bereits. Das kleine Restaurant war geschlossen. Nur in dem altmodischen Salon mit dem Riesenspiegel und den roten Plüschmöbeln brannte noch Licht. Hier warteten Mimi, Siméon und die aufregende Besitzerin des Etablissements mit dem löwenfarbenen Haar auf Thomas.
    Als er eintrat, wurden Seufzer der Erleichterung laut. Jeanne gab bekannt: »Wir haben uns solche Sorgen gemacht!«
    »Ja, wirklich?« sagte Thomas gedehnt. »Auch schon, als ihr mich losgeschickt habt?«
    »Das geschah auf Befehl!« rief Siméon. »Ich verstehe im übrigen überhaupt nichts mehr! Wieso haben Sie die Tasche?«
    Thomas nahm eine Flasche Remy Martin zur Hand, die auf dem Tisch stand, und goß einen ordentlichen Schluck in ein Schwenkglas.
    »Ich trinke auf unsere Zukunft«, sagte er. »Die Zeit der Trennung ist gekommen, ihr Lieben. Ich habe Major Débras davon überzeugt, daß es besser ist, wenn
ich
die Dokumente nach Lissabon bringe. Sie, Herr Oberst, kehren nach Paris zurück und melden sich dort bei Lotosblume vier – wer immer das ist.«
    »Das bedeutet Untergrund«, sagte der Oberst bedeutungsschwer.
    »Viel Spaß dabei«, sagte Thomas. Er sah die hübsche Hotelbesitzerin an. »Und auch Ihnen viel Spaß, Jeanne, möge Ihr Etablissement blühen und gedeihen.«
    »Ich werde Sie sehr vermissen«, sagte Jeanne traurig. Thomas küßte ihre Hand. »Scheiden tut immer weh«, sagte er.
    Mimi, die immer fröhliche, immer unbeschwerte kleine Mimi Chambert, begann plötzlich fürchterlich zu weinen. Sie würgte und schluchzte und stöhnte und rief mit hoher, verlorener Stimme: »Es ist ja zu dumm … Verzeiht mir – ich will gar nicht weinen …«
    Stunden später, als sie an Thomas Lievens Seite lag – draußen wurde es schon hell, es regnete –, da hörte Thomas den Regen und Mimis Stimme: »… Ich habe es mir überlegt, wieder und wieder. Ich habe mich herumgequält damit …«
    »Ich verstehe schon«, sagte er dezent. »Du denkst an Siméon, nicht wahr?«
    Plötzlich lag sie an seiner Brust. Ihre Tränen tropften auf seine Lippen, und sie waren heiß und schmeckten salzig: »Ach, chéri, ich habe dich lieb, wirklich
furchtbar
lieb … Aber gerade die letzten Wochen in – in diesem Haus haben mir gezeigt, daß du kein Mann zum Heiraten bist …«
    »Wenn du Jeanne meinst …«, begann er, aber sie unterbrach ihn:
    »Nicht nur Jeanne, überhaupt! Du bist ein Mann für Frauen – aber für alle, nicht für eine. Du kannst nicht treu sein …«
    »Ich könnte es versuchen, Mimi.«
    »Nicht so treu wie Jules! Er ist so viel weniger klug als du! Aber er ist viel romantischer, viel idealistischer.«
    »Mon petit chou, du mußt dich doch nicht dafür entschuldigen! Ich habe schon lange darauf gewartet. Ihr beide seid Franzosen. Ihr liebt euer Land, eure Heimat. Ich – ich habe vorläufig keine mehr. Darum will ich fort. Und ihr wollt hierbleiben …«
    »Und du kannst mir verzeihen?«
    »Es gibt nichts zu verzeihen.«
    Sie schmiegte sich an ihn. »Ach, bitte, bitte, sei nicht so nett, chéri, ich muß sonst gleich wieder weinen … Ach, wie schrecklich, daß man nicht zwei Männer heiraten darf!«
    Thomas lächelte, dann bewegte er den Kopf. Die schwarze Tasche drückte ihn, sie lag unter seinem Kopfkissen. Thomas war entschlossen, sie nicht mehr aus der Hand zu geben bis zu seinem Abflug. Das, was er vorhatte, konnte er in Toulouse nicht erledigen, dazu fehlte ihm die Zeit. Aber in Lissabon wollte er dann dafür sorgen, daß die Tasche kein Unheil mehr anrichtete.
    »Danke, chéri« , hörte er Mimi schläfrig flüstern. »Ich danke dir.«
    »Wofür?«
    »Ach, für alles …« Sie wollte ihm danken, sie mußte ihm noch einmal danken, das fühlte sie ganz stark! Danken für seine Fröhlichkeit und seine

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