Es wird Dich rufen (German Edition)
der Journalist wissen. »Oder weshalb sind wir hier?«
»Ich zeige es Ihnen«, bemerkte Jean und bat Michelle, die Landkarte aus dem Rucksack zu holen. Er breitete sie auf einem mit Moos bewachsenen Mauervorsprung aus, der zu einer alten Siedlung gehörte und als spärlicher Rest die Strapazen der Jahrhunderte überdauert hatte.
»Jetzt sehen Sie einmal genau hin!«, sagte der alte Mann, während er auf den La Pique deutete. »Wir sind jetzt genau hier.«
Jean zog einen roten Filzstift aus seiner Jacke und markierte drei Punkte: Rennes-le-Château, die Templerfestung von Le Bézu und einen weiteren Punkt, der auf der Karte mit »Château Blanchefort« bezeichnet war.
»Auch an dieser Stelle ragte früher eine Festung der Tempelritter über das Blanque-Tal«, erklärte Jean. »Sie existiert heute ebenso nicht mehr.«
Dann verband er die drei Punkte, sodass ein lang gestrecktes Dreieck entstand, das mit der Spitze nach unten zeigte.
»Was ist das?«, fragte Mike.
»Können Sie es noch nicht erkennen, junger Freund?«
»Es ist ein Dreieck. Und weiter?«
»Dann will ich Ihnen helfen!«, sagte Jean und markierte zwei weitere Punkte auf der Karte, die jeweils auf der linken und rechten Seite des Dreiecks eine Erhebung in der Landschaft kennzeichneten. Erneut verband er die Punkte – inzwischen fünf – nach einem ganz bestimmten System.
»Das ist das Pentagramm der Berge«, bemerkte Jean. »Wie Sie sehen, umfasst es fünf markante Punkte in der Landschaft.«
»Und das Zentrum ist der La Pique«, staunte Mike. »Wir sind also im Inneren eines Pentagramms?« Er erinnerte sich daran, was ihm der alte Mann erzählt hatte, dass es ein mächtiges Schutzsymbol sei.
»Dann müsste auch dieser Bergkamm etwas Besonderes sein?«, fragte er Jean.
»Nicht der Kamm an sich«, verneinte der alte Mann. »Nur seine Spitze, hier direkt vor uns. Kommen Sie, junger Freund! Lassen Sie uns ihn erklimmen!«
Erklimmen war der richtige Ausdruck. Mike konnte kaum nachvollziehen, dass der alte Jean trotz des steilen Anstiegs kaum aus der Puste geriet. Im Gegensatz zu Mike.
Kaum waren sie am Ziel angekommen, fiel sein erster Blick auf eine drei bis vier Meter hohe Steinskulptur. Es war schwer zu sagen, ob sie natürlichen Ursprungs war oder von Menschenhand geschaffen wurde. Sie erinnerte entfernt an die Skulpturen auf den Osterinseln. In der Form eines Kopfes, der eine von Alchemisten benutzte phrygische Mütze trug, schaute sie geheimnisvoll wissend in Richtung Rennes-le-Château.
»Das ist der Wächter!«, bemerkte Jean.
»Wir haben ihn so getauft«, fügte Michelle hinzu.
»Und er wacht über dieses Tal?«, fragte Mike.
»Über das Tal Gottes, exakt!«, sagte sie. »Es sieht so aus, als wolle er ganz bewusst das Valdieu im Auge behalten – mit besonderem Blick auf das Dorf.«
»Erinnern Sie sich, dass ich Ihnen von der alten Stadt Rhedae erzählte, die schon so viele vergeblich suchten?«, fragte Jean.
»Natürlich!«
»Ich könnte Ihnen sagen, weshalb sie bis heute im Verborgenen liegt. Die Menschen müssten nur die richtige Frage stellen und sie konsequent zu Ende denken. Dann wüssten sie es auch.«
Jean wandte sich Michelle zu: »Wäre es möglich, noch einen Apfel zu bekommen?«, fragte er.
»Natürlich!«, sagte sie.
»Rhedae ist der Ort der vierrädrigen Fuhrwerke, sagt man«, fuhr Jean mit seiner Erklärung fort. »Wenn Sie sich über die wahre Bedeutung des Wortes im Klaren sind, dann werden Sie wissen, was ich meine!«
»Aber wie soll ich das herausfinden?«, suchte Mike nach einem Anhaltspunkt, der ihm helfen konnte, Jeans Gedanken zu verstehen.
»Es ist eigentlich ganz einfach: Denken Sie nur an Boudet und seine wahre Sprache der Kelten! Und denken Sie an die Bedeutung des Dualismus. Alles existiert zweifach. Zwei sind eins, denn nur zusammen ergeben sie ein Ganzes!«
»Ist mir zu hoch!«, sagte Mike frustriert. »Das kapiere ich nicht …« »Sie werden schon noch dahinterkommen, junger Freund«, ermutigte ihn der alte Mann, während Michelle ihm den Apfel reichte und Mike versuchte, die wichtigsten Informationen zu notieren, um sie später im Hotel nochmals in Ruhe zu studieren.
Als Journalist war er darin geschult, seinen Gesprächspartnern sowohl zuhören als auch das Gehörte mitschreiben zu können.
»Bitte auch ein Messer dazu!«, bat Jean. »Unser lieber Mike Dornbach möchte sicher auch eine Hälfte davon abhaben.«
»Eigentlich nicht. Ich bin satt, danke sehr!«, verneinte Mike, doch Jean
Weitere Kostenlose Bücher