Es wird Dich rufen (German Edition)
hölzerne Bank hatte mit den Jahren nicht an Festigkeit verloren. Nässe, Sonne und Kälte hatten im stetigen Wechsel der Jahreszeiten ihren ganz besonderen Charme geformt.
Vor den Augen seiner Eminenz erhob sich das vom Schicksal geprägte Dörfchen Rennes-le-Château. So friedlich sah es aus. Als ob es noch gar nicht wahrgenommen hatte, welch gefährliche und schicksalhafte Kämpfe auf seinem Rücken schon ausgefochten wurden und zukünftig noch ausgefochten werden mussten.
»Voilà! Das ist für Sie, Euer Eminenz.« Mit diesen Worten stellte Caroline ihr unvergleichliches Gebäck und eine Kaffeetasse auf den einfachen Holztisch neben der Bank.
»Das sieht verführerisch aus!«, bemerkte der Großmeister und nahm sich ein Stück. »Traumhaft! Da brauche ich mich über mein Gewicht nicht zu wundern. Sie verwöhnen mich, Caroline!«
Sie fühlte sich geschmeichelt und beobachtete, wie er den Kuchen genüsslich verspeiste. So gestärkt konnte er ihr nun den eigentlichen Grund für seinen Besuch mitteilen:
»Caroline«, sagte er, »Ich fürchte, ich habe keine guten Nachrichten für Sie.«
»Was ist passiert?«, fragte sie beunruhigt.
»Ich nehme an, Jean hat Ihnen bereits das Wichtigste über unseren Schützling gesagt. Nun habe ich vor einer Stunde den Anruf eines unserer Agenten erhalten. Die Söhne haben einen Plan ausgearbeitet, der ihn – und damit auch uns – unter Druck setzen soll.«
»Was haben sie vor?«, fragte Caroline.
»Leider weiß ich das nur bedingt«, gestand der Großmeister.
Der Agent, den er über Umwege hatte einschleusen lassen, hatte ihm lediglich von einer beabsichtigten Entführung berichtet. Auch wenn das Ziel nahezuliegen schien, er wusste nicht sicher, wer gemeint war, wie es passieren sollte und wann. Umso entscheidender war es deshalb, jetzt auf der Hut zu sein.
»Die Söhne wissen, dass der junge Mann nicht alleine in Rennes-le-Château ist. Wahrscheinlich werden sie versuchen, an ihn und seine Begleiterin heranzukommen. Das müssen wir verhindern.«
»Sie meinen die junge Dame, die überraschend angereist ist?«, fragte Caroline.
»Ja, genau. Um sie scheint es zu gehen«, bestätigte der Großmeister. »Wissen Sie, wo sie sich derzeit aufhält?«
»Leider nicht, Euer Eminenz. Sie brach vorhin mit einem Mann zu einem Spaziergang auf, um sich zu akklimatisieren, wie sie sagte.«
»Wann wird sie zurück sein?«
»Das weiß ich nicht!«, antwortete Caroline.
»Das ist nicht schlimm«, meinte der Großmeister. »Wir müssen sie nur dazu überreden, dass sie nicht hierbleibt. Versuchen Sie bitte, ein anderes Hotel für sie zu finden. Und informieren Sie mich, sobald sie wieder da ist. Bis dahin werde ich Ihnen einen unserer Männer hierlassen, Philipp, er wartet draußen in meinem Wagen.«
33
Über den Pas de la Roque und das Plateau von Homme mort, dem toten Mann, waren Mike, Jean und Michelle inzwischen im sogenannten Tal Gottes angelangt, eine weite Ebene mit grünen Wiesen und vereinzelten Gehöften, in deren Zentrum sich ein Bergkamm von gut einem Kilometer Länge erstreckte.
»Das dort ist La Pique!«, erklärte Jean, als er auf den Gipfel des östlichen Ausläufers zeigte. Nur wenige Meter waren sie von ihm entfernt.
Zu seiner Überraschung erkannte Mike, dass er diesem Felsmassiv schon einmal begegnet war: auf einem der Postkartenmotive, die Michelle ihm mitgegeben hatte.
»Diesen Berg habe ich schon einmal gesehen!«, sagte er.
»Dann ist Ihre Beobachtungsgabe sehr gut!«, lobte ihn Michelle.
»Sie haben ihm die Bilder also gezeigt?«, erkundigte sich Jean.
»Alle drei«, sagte sie.
»Das ist gut!«, nahm Jean dies erfreut zur Kenntnis und wandte sich Mike zu. »Ja, das ist tatsächlich das Gelände, das auf dem Bild von Christus und dem Hasen zu sehen ist.«
»Und es hat eine Bedeutung?«
»Nichts ist hier ohne Bedeutung!«, ließ Jean wieder einmal auf merkwürdig unklare Art verlauten. »Das Gemälde stammt sehr wahrscheinlich von Paul-Urbain de Fleury. Wenn Sie so wollen, war er einer der Erben von Marie de Nègre d´Ables, Dame d´Hautpoul. Sie erinnern sich an die Dame?«
»Na klar! Das heißt, dass Fleury in das Geheimnis eingeweiht gewesen sein könnte?«, fragte Mike.
»Und dass er einen zentralen Ort auf diesem Gemälde hinterlassen hat«, konstatierte der alte Mann, um sofort darauf nachzuschieben, »Ob das wirklich so ist, steht allerdings auf einem anderen Blatt.«
»Trotzdem scheint dieser Ort von gewissem Interesse zu sein?«, wollte
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