Es wird Dich rufen (German Edition)
öffnete. Er trug einen hellen Morgenmantel.
»Sie?«, rief Feline überrascht aus. »Sind Sie derjenige, von dem Mike sprach?«
»Das Leben geht manchmal überraschende Wege«, sagte der Großmeister freundlich und reichte ihr die Hand. »Kommen Sie doch rein, Feline.« Er forderte Mike auf, ihnen zu folgen.
Der Großmeister führte die beiden in den Wohnraum. An der Wand hingen Fotografien, einige waren in Schwarz-Weiß und schon sehr alt.
»Die sind zum Teil noch von Saunière selbst«, erklärte der Großmeister. »Er hat sehr viele Bilder gemacht. Eines seiner Hobbys.«
Mike und Feline nahmen auf der Eckbank Platz.
»Darf ich euch etwas anbieten? Kaffee, Tee?«
»Nein, danke«, antwortete Mike. Er wollte keine Zeit verlieren. »Feline möchte dir etwas sagen.«
»So?«, schaute der Großmeister verwundert. »Was gibt’s denn?« Noch einmal wiederholte Feline in aller Ausführlichkeit, was sie Mike am Abend zuvor bereits erzählt hatte. Ab und an wurde sie durch eine Zwischenfrage Steins unterbrochen, während er sich einen Kaffee aufbrühte und ihn trank.
»Das ist eine sehr ernste Sache«, bemerkte der Großmeister, als Feline mit ihrem Bericht schließlich am Ende angelangt war.
»Deshalb sind wir hier«, stimmte Mike zu.
»Das ist gut so!«
Argwöhnisch musterte der Großmeister seine Besucherin.
Er versuchte, in ihre Gedanken einzudringen, festzustellen, ob alles der Wahrheit entsprach, was sie gesagt hatte. Zwar klang es in der Tat plausibel, aber der Großmeister wusste, dass in diesen Tagen dringend Vorsicht geboten war.
War Feline für die »Bewahrer des Lichts« ein großer Trumpf? Oder hatte sie ihn angelogen und war von ihrem Vater, den sie als den General bezeichnete, geschickt worden, um ihnen eine Falle zu stellen?
Der Großmeister zog Mike zur Seite.
»Eine abenteuerliche Geschichte ist das, nicht wahr?«
»Ein bisschen vielleicht«, sagte Mike. »Aber ich glaube ihr. Okay, sie hat in der Vergangenheit nicht immer die Wahrheit gesagt, aber das waren kleine Spielereien, mit denen sie versuchte, meine Aufmerksamkeit zu gewinnen. Das hier ist ein anderes Kaliber.«
»Wir werden sie an ihren Taten messen«, schlug der Großmeister vor.
»Was heißt das?«
»Dass wir ihr nicht blind vertrauen, sondern mit Vorsicht und Augenmaß beobachten werden, was sich tut.«
Mike war einverstanden, wenngleich er nicht daran glaubte, dass Feline tatsächlich auf ihn angesetzt worden war. Boone und der General konnten schließlich nicht wissen, dass er noch am Leben war.
»Danke, dass Sie mich unterrichtet haben«, wandte sich der Großmeister wieder Feline zu.
»Was passiert jetzt mit meinem Vater?«, fragte sie.
»Wir werden tun, was in unserer Macht steht«, versprach der Großmeister. »Er muss aber selbst erkennen, dass er Fehler gemacht hat. Sonst gibt es keine Chance auf Rettung!«
»Kann ich ihm dabei helfen?«
»So, wie Sie ihn mir beschrieben haben, glaube ich das eher nicht. Wir sollten den Dingen ihren Lauf lassen, Feline.«
Dem Großmeister war klar, dass sich binnen kürzester Zeit viele Fragen klären würden. Unter anderem auch, ob es ihnen gelingen würde, die prophezeite Schreckensherrschaft zu verhindern. Die Chancen hatten sich verbessert. Bis zum Tag der Schwarzen Sonne gab es allerdings noch vieles zu erledigen.
»Ich muss mich noch um ein paar Dinge kümmern«, machte sich der Großmeister deshalb daran, sich von seinen Gästen zu verabschieden. Doch Mike hatte noch eine Frage.
»Wie geht es Jean?«
»Es ist ihm noch nichts geschehen.«
»Sie lassen ihn in Ruhe?«
»Vermutlich wenden sie eine Zermürbungstaktik an. Nichts zu essen, nichts zu trinken, kein Schlaf. Das ist ihre Art, wie sie versuchen, an Informationen zu gelangen.«
»Und wir können nichts tun?«
»Nur wenn wir wüssten, wo sie ihn gefangen halten, Mike.«
»Entschuldigen Sie, dass ich mich einmische«, meldete sich Feline zu Wort. »Habe ich das richtig verstanden, dass Sie über einen Gefangenen sprechen?«
»Ja, über Jean«, sagte Mike. »Wieso?«
»Weil ich glaube, dass ich weiß, wo er ist.«
»Das sagen Sie erst jetzt?«, bemerkte der Großmeister skeptisch.
»Es fiel mir eben erst auf. Wobei ich mir nicht sicher bin. Es ist nur so, Boone erzählte etwas von einem Hotelgast, der meinen Vater sprechen wollte. Wobei er das so seltsam betont hat. Wenn ich darüber nachdenke, nach dem, was Sie sagten … Ich habe die schlimme Ahnung, dass er mit dem Gast Jean gemeint haben
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