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Esswood House

Esswood House

Titel: Esswood House Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Straub
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handelte. Isobel war mystisch, er war engstirnig. Sie arbeiteten Seite an Seite in der Bibliothek, dinierten zusammen, sie schlenderten gemeinsam durch die sommerlichen Felder. Sie verbrachten viele Stunden mit E., die krank geworden war, und deren Sohn in der Suite der Seneschals. Die Krankheit des Mädchens war schlimmer gewo rden, sie wurde in einem anderen Zimmer von der Weit abgeschirmt. Meine Tochter kann keine Besucher empfangen , sagte E. und tat ihre Bitte mit einer schlaffen Handbewegung ab. Sie befindet sich auf einer Reise, die sie allein machen muß. Der Junge war so schön wie eh und je, aber introvertiert und bleich geworden - das Leben, das so sichtbar in ihm brannte, verzehrte ihn. Er schlief fast den ganzen Tag, doch wenn er wach war, nahm er die junge Frau an der Hand und flehte sie um ihre Geschichten an. Er hat Sie gebraucht , flüsterte E. Wir alle haben Sie gebraucht. Die junge Frau sah in beider Gesichter - dem raubvogelartigen, »verinnerlichten« von E. und dem hageren und fast unerträglich ernsten des Jungen - einen Ausdruck der Gier, die mehr ein Charakterzug als eine vorübergehenden Stimmung zu sein schien, als,würde sie ihrem Charme und ihrer Liebenswürdigkeit zugrunde liegen.

    Standish wurde aus seiner Trance gerissen und schaute auf. Licht drang schwach durch die Ritzen der Rolläden, und vor dem Haus schienen Hunderte, wenn nicht gar Tausende Vögel ihre Kreise zu ziehen und ein erstaunlich fröhliches Gezwitscher von sich zu geben, während sie herumflatterten.
    Verlangen und Gier.

    Ob er die geheime Treppe und den geheimen Korridor, »ihre« Treppe und »ihren« Korridor kannte, fragte die junge Frau ihren Zigeunergelehrten. Sie sah seinen hochgezogenen Brauen und dem tanzenden Licht in seinen Augen an, daß er glaubte, sie wolle ihn reizen - wolle ihrer Geschichte ein sehr literarisches und konstruiertes Rätsel hinzufügen. Ich mache keine Witze, sagte sie, es gibt wirklich eine geheime Treppe. Ach, tatsächlich, entgegnete der Zigeunergelehrte. Und was hast du gelesen, du Romantikerin aus Duxbury, Die Burg von Otranto? Der Mönch? Nein, auch nicht Varney der Vampir , antwortete sie, aber was meinst du, wie ich durch das Haus gehe, ohne daß man mich sieht? Befördere ich mich durch Magik? Und sie sah, wie eine andere Art von Interesse seinen Spott verdrängte. Sie habe also eine spezielle Treppe, ja? Welchem Zweck diene sie - als heimlicher Weg für Liebende? Vorwiegend, entgegnete sie, der Beförderung von Bettlaken und Handtüchern, und damit die Dienerschaft sich frei durch das Haus bewegen konnte, ohne die Gäste stets an die Existenz der niederen Stände zu erinnern. Zeig sie mir, mein Mädchen, ich stehe unter deinem Bann, stieß der Zigeunergelehrte hervor, und die junge Frau führte ihn die große Treppe hoch, durch die unbenutzte Kammer, die in früheren, längst vergangenen Zeiten, als er sich noch herabließ, wenigstens die Parlamentsferien in Lincolnshire zu verbringen, das Arbeitszimmer des Mannes von E. gewesen war, wiewohl es sich freilich, eingedenk der Aktivitäten, die in diesem kleinen Raum stattfanden, um eine durchaus irreführende Bezeichnung handelte - und wann würden die vorzüglichen unsichtbaren Diener endlich einmal etwas wegen dieses flackernden Lichts unternehmen? - und dann weiter durch die innere Galerie, am Ausblick auf den Springbrunnen vorbei, wo sie nicht verabsäumte, dem lieben ernsten Jungen fröhlich zuzuwinken, der vom Fenster seiner Mutter Gott weiß was beobachtete, und schließlich in die von der jungen Frau so hochgeschätzten Springbrunnenzimmer. Sie ließ ihren Busenfreund den ausgestopften Fuchs und das Terrarium bewundern, während sie in das andere Zimmer und durch die Tür zu der Treppe huschte und kannst du mich finden? rief. Was ihm schließlich gelang, indem er dem Klang ihres kichernden Gelächters folgte. Und er machte die Tür auf und gesellte sich hinter der Wand zu ihr und sagte Himmelsschlüssel Kornblume Lupine Lilie Hyazinthe Rose. Jetzt kennst du mein Geheimnis, sagte sie und er küßte sie. Und hielt ihre Hand, als sie ihn die lange Wendeltreppe hinunter - Nachts höre ich hier seltsame Geschöpfe huschen - zur Bibliothek führte. Siehst du? Ich habe einen Vorteil, seltsame nächtliche Geschöpfe hin oder her. Nein - du hast den Vorteil, sagte der Landstreicher und Zigeunergelehrte, du hast einen besonderen Platz in diesem Haus, du bist aufgenommen worden, du hast die Worte von E. gehört. Sie denken, sie

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