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Esther Friesner

Titel: Esther Friesner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Katze läßt das Zaubern nicht
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Messer beiseite und schlang eine blutige Hand um mein Handgelenk, während er mich aus der Küche zerrte. Wir durchquerten den großen Saal von Gut Uxwutsch, wo uns die aufgezogenen Häupter von zwölf Generationen ermorderter Tiere mit glasigen Augen musterten. Wir gingen die Haupttreppe hinauf und durch die Ahnengalerie, wo uns zwölf Generationen Gangles im Vorbeigehen musterten. Schließlich gelangten wir in Paps’ Bibliothek, einen Raum, der die gesamte Büchersammlung der Familie Gangle enthielt. Das Werk hieß Wilde Tiere die ich getötet, verfaßt von Freiherr Theofric Gaungelle, dem Ahnherr unseres Hauses.
    Irgend etwas in der Bibliothek stimmte nicht: Auf dem Regal stand ein zweites Buch!
    »Da«, sagte mein Vater und zeigte mit einem blutigen Finger darauf.
    Er weigerte sich, es zu berühren - nicht, weil er es nicht verschmieren wollte, sondern weil das einzige, was Paps je mit Büchern anstellte, das Zerdrücken von Spinnen war. Als ich es in die Hand nahm, fuhr er fort: »Ich habe es im Besitz deiner Schwester gefunden.«
    »Mein Paladin der Leidenschaft«, las ich laut vor. »Von Raptura Eglantine.« Ich hörte, wie Scandal hinter mir fast an einem Haarbüschel erstickte.
    »Sie … sie … liest«, sagte Paps mit schamerstickter Stimme. »Mein kleines Mädchen - und liest Bücherl Wie konnte das nur passieren?
    Was hat deine Mutter bloß falsch gemacht?«
    »Wie lange seid ihr schon verheiratet?« fragte Scandal. Ich brachte ihn zum Schweigen. Langsam begann es in meinem Kopf zu klicken.
    Tatsächlich bildete sich in meinem eigenen, höchst persönlichen Gehirn ein Plan zur Rettung von Mutter Krötenhauch aus. Es war ein beschwingtes, wunderbares Gefühl, vor allem, nachdem man mir in all den vielen Jahren an Meister Thengors Akademie immer nur gesagt hatte, daß es bloß eine einzige Möglichkeit gäbe, wie ich an eine originelle Idee kommen würde: nämlich, sie mir von jemandem mit einem Stock in den Schädel prügeln zu lassen.
    »Liest«, wiederholte ich und versuchte, ebenso schockiert und enttäuscht zu klingen wie Paps. »Weißt du, wenn sich das herumspricht, wirst du nie mehr einen Mann finden, der bereit ist, Lucy zu heiraten.« Mein Vater stöhnte. »Und wenn keiner sie heiratet, wirst du sie den Rest ihres Lebens unterstützen müssen.« Er stöhnte noch lauter. »Und wenn sie nie heiratet, bekommst du auch nie den Brautpreis in die Hand oder irgendwelche Ländereien, die er noch drauflegt, oder die Hochzeitsgeschenke seiner Familie an uns oder die ganzen Urlaubsgeschenke, die sie dir sonst geben würden, oder …«
    Es war das erste Mal, daß ich meinen Vater weinen sah.
    Irgendwie schafften Scandal und ich ihn aus der Bibliothek und zurück in die Küche, wo wir in einer abgeschiedenen Nische einen Tisch und ein paar Stühle fanden. Unsere alte Familienköchin Maisree warf einen Blick auf den armen Mann, und schon holte sie eine Flasche von Paps’ besonderem Nerventonikum, um uns danach alleinzulassen. Das Zeug hieß Alter Zeckenhuster und roch nach verschimmeltem Brot, doch ein Glas davon heiterte ihn schon recht bald wieder auf.
    Als mein Vater in etwas sonnigerer Stimmung war, unterbreitete ich ihm mein Angebot. »Paps, wenn Lucy tatsächlich liest, dann muß sie doch wohl irgend etwas lesen, richtig?«
    »Natürlich tut sie das!« Paps wirkte empört. »Hab’ dir das Buch doch selbst gezeigt, oder?«
    »Ah! Aber kannst du dir auch sicher sein, daß es das einzige ist, das sie hat?«
    »Was? Willst du etwa sagen, daß es noch mehr … Bücher geben könnte?«
    »Ist immerhin möglich.« Nun, da ich die Rolle eines großen und mächtigen Zauberers zu spielen hatte, gab ich mein Bestes, weise und allwissend auszusehen. »Weiß Lucy, daß du dieses hier hast?«
    »Ich habe sie damit draußen im Kräutergarten erwischt, wo sie eigentlich ihre Handarbeit hätte erledigen sollen. Aus der Hand habe ich es ihr gerissen!«
    »Dann würde ich sagen, daß sie es wohl weiß«, bemerkte Scandal.
    »Herrn Holzhammer sei Dank.«
    Genau das wollte ich hören. Ich legte die Fingerkuppen aneinander und sagte: »Da sie weiß, daß du es weißt, mußt du auch wissen, daß sie nicht wollen wird, daß du weißt, daß sie noch weitere Bücher dieser Art hat. Weißt du das?«
    »Weiß ich was?« Paps sah aus, als hätte ich einen toten Hirsch auf ihn fallen lassen.

    »Natürlich weißt du das!« mischte Scandal sich ein. »Und du mußt außerdem wissen, daß du nie herausbekommen wirst, wo sie sie alle

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