Eulenspiegel
Dingen hat nur zwei Einstellungen, ›an‹ oder ›aus‹. Und für ›aus‹ ist es noch zu kalt.«
Auch ihm war es ganz offensichtlich zu warm; Heinrichs sah ihn zum ersten Mal in Hemdsärmeln. Aber selbstverständlich trug er, wie stets, die zum Anzug passende Weste über dem makellosen Seidenhemd und eine dunkle Krawatte. Lowenstijn hatte eine deutsche Mutter und einen holländischen Vater und sprach beide Sprachen akzentfrei. Aber er hatte immer in Holland gelebt, und für Heinrichs hatte er auch den typisch holländischen Humor. Vor kurzem war sein Vater verstorben und hatte ihm ein millionenschweres Tabakimperium hinterlassen. Arbeiten mußte Lowenstijn sicher nicht mehr, aber »bevor ich mich langweile«, hatte er Heinrichs zugezwinkert. Immerhin fuhr er nun einen Jaguar und suchte nach einer Villa; einen Butler hatte er schon immer gehabt.
Bei den Befragungen der Schwarzarbeiter ergänzten sie sich aufs beste: Wenn Heinrichs zu weich wurde, zeigte Lowenstijn Biß, und wenn Lowenstijn in seine manchmal verächtliche Ironie verfiel, federte Heinrichs das sachlich ab. Sie arbeiteten zügig, verzichteten auf das Mittagessen, hielten sich mit koffie und koekjes über Wasser, aber dennoch war es schon fast dunkel, als sie endlich mit den acht Leuten durch waren.
»Welche Angaben müssen wir noch gegenchecken?« suchte Heinrichs in seinen Notizen.
»Thomas Thornton, Desmond Greenwood und Zbigniew Schwientek«, antwortete Lowenstijn. »Aber weißt du was? Das kann ich morgen für dich machen. Laß uns lieber was essen gehen. Vietnamesisch, was hältst du davon?«
»Viel«, gab Heinrichs zu, »aber ich fürchte, ich muß zurück. Eine Portion Pommes mit Saté Sauce am Automatiek muß reichen.«
»Na dann, komm. Ich habe da einen Geheimtip.«
Am späten Nachmittag setzte sich die neue Soko in Toppes Büro zum ersten Mal zusammen. Die Meinhard hatte vier Männer von anderen Dezernaten abgezogen, und nun ging es darum, sie auf den aktuellen Stand der Ermittlungen zu bringen.
Zufrieden lächelnd stand die Chefin an der Tür. »Ich denke, hier störe ich nur. Soll ich die Information über unsere Sonderkommission schon mal ins Netz geben, Herr Toppe? Sie werden sicher gleich schnell nach Hause wollen. Da gibt es bestimmt einiges zu regeln.«
Was sollte er sagen? Verbindlichen Dank? Aber er wurde jeder Antwort enthoben, denn die Chefin taumelte plötzlich nach vorn.
Ackermann hatte ihr mit Wucht die Tür ins Kreuz gerammt.
»Ach Gottchen! Hab ich Ihnen weh getan?« streichelte er ihren Rücken.
Die Meinhard schnappte kopfschüttelnd nach Luft.
»Ich bin aber auch ’n Rindvieh! Tut echt nich’ weh? Da mach’ ich aber drei Kreuze«, tätschelte er sie noch einmal. Dann grinste er in die Runde: »Bin ich hier richtich bei de Soko Eulenspiegel? Ich kann doch noch einsteigen, wa?« guckte er die Chefin treuherzig an. »Ich bin voll auffem Laufenden, ehrlich.«
Astrid hatte sich als erste von der Überraschung erholt. »Was machen Sie denn hier? Ich dachte, Sie kämen erst am Mittwoch von Ihrem Seminar zurück.«
»Ooch, ich bin früher abgehauen«, flüsterte Ackermann feucht. »Den Teilnahmeschein hab ich aber trotzdem gekriegt, Chefin. Heute un’ morgen war bloß noch Menschenführung, un’ der Leiter vom Seminar hat gemeint, da wär’ ich sowieso voll fit drin.«
»Den Mann würde ich gern mal kennenlernen«, bemerkte van Appeldorn, aber Ackermann hörte nicht hin. »Ich kann doch nich’ in München hocken, wo et hier drunter un’ drüber geht.« Er eilte zu Toppe, packte dessen Rechte mit beiden Händen und schüttelte sie ausgiebig. »Mann, Chef, ich bin so wat von froh, dat euch nix passiert is’ bei dem Feuer!«
»Wie, um alles in der Welt, haben Sie das schon wieder erfahren?«
»Ach, ihr kennt mich doch. Ich kann nich’ gut von zu Hause weg. Aber wenn et nich’ anders geht … Jedenfalls ruf ich einma’ am Tach an, nich’ nur bei de Mutti, meist auch ebkes auffe Arbeit. Un’ dat erste, wat ich heut’ morgen hör’, is’ dat mit dem Feuerken auffem Hof. Da bin ich aber so wat von fix inne Pötte gekommen, kann ich euch sagen! Die Bayern haben nur noch meinen Kondensstreifen gesehen.«
Charlotte Meinhard sah hilflos aus. Unschlüssig wandte sie sich zur Tür und konnte im letzten Moment zurückspringen. Diesmal war es Heinrichs, der völlig außer Atem hereinstürmte.
»Helmut, Mensch! Was sagen die mir da unten? Los, erzähl schon.«
»Klopft hier eigentlich nie jemand an?«
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