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Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman

Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman

Titel: Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Petery
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sie kann es nicht formulieren. Ihre Stimme schwankt.
    »Darf ich dir nur kurz etwas sagen, weißt du, ich bin echt froh … ähm … ich meine, du bist … äh …«
    Ihre Stimme versiegt. Das war noch nicht das, was ich will. Es wird wohl noch dauern.
    »Also, ich meine, das ist ein sehr hübsches Kleid, so … retro.«
    Banal. Sie lacht. Gut, ich gebe ihr die Zeit, die sie braucht, um warmzuwerden.
    »Wo kauft man bloß so etwas? Ich würde so etwas nie finden.«
    Dann hat Melanie sich beruhigt, ihre Stimme fließt und plätschert. Melanie lacht mich wieder an, so ein bisschen von unten herauf, ich muss mit ihr lachen. Nicht über sie.
    Der Kellner hat sich angeschlichen und hält uns mit abschätzigem Blick die Karten vor die Stirnen, so dass wir sie aus der Luft schnappen müssen. Dann rauscht er davon. In seinem Windzug wackelt die Lampe eines Nachbartischs. Während ich damit beschäftigt bin, den verkannten englischen Butler – denn daran erinnert mich der Kellner mit seiner überheblichen No-Nonsense-Aura – zu beobachten, entgeht mir beinahe Melanies Verzweiflung angesichts der Getränkekarte. Natürlich, sie kann mit den Alkoholcodes nicht umgehen. Mit einem Lächeln erteile ich ihr das Wort.
    »Was trinkst du denn? Ich kenne mich damit nicht so aus.«
    Wodka Sour, sage ich ihr.
    »Klingt gut. Das nehme ich auch. Dankeschön.«
    Sie hat ihre Entscheidung gerade rechtzeitig getroffen. Der Butler-Kellner schwingt schon herbei, um im Vorüberwehen
unsere Bestellungen aufzunehmen. Ich lasse Melanie den Vortritt. Sie sagt ihr Sprüchlein auf: »Ein Wodka Sour, bitte«, und grinst dann erleichtert. Ich lasse den Kellner nicht so schnell los. Blättere mit spitzen Fingern im Menü und schweife über die Angebote ab in die leere Luft. Letztendlich, bevor der Kellner zu zappeln beginnt, bestelle ich einen Mojito. Er schwebt erlöst von dannen. Melanie sieht enttäuscht aus. Wegen des Mojitos? Hatte ich davor etwas anderes gewollt? Einen Wodka Sour zum Beispiel? Möglich. Aber was kann ich dafür, ich habe mich nun einmal umentschieden.
    »Was ist das denn, was du bestellt hast?«
    Ich erkläre es ihr kurz, nenne Zutaten, die ihr nur unglaublich cool erscheinen können.
    »Wow, cool.«
    Danke, ich weiß.
    Der Kellner eilt luftig herbei und präsentiert uns auf seinem Silbertablett ein becherförmiges Glas neben einem Pokal, in dem der Alkohol grün-golden schimmert. Wem gehört wohl was? Hm. Tut mir leid, Melanie, war keine Absicht, dass ich so viel besser wegkomme.
    »Oh, deins sieht echt unglaublich aus.«
    Mhm. Ganz richtig, Süße.
    »Darf ich mal probieren?«
    Hm. Gut. Von mir aus.
    »Oh, danke. Vielen Dank! Darf ich wirklich?«
    Gott, Mädchen. Ja heißt Ja.

    »Dankeschön, entschuldige bitte, ich wollte dich nicht nerven, echt nicht, und …«
    Passt schon. Nimm deinen Schluck, Süße, und genieße ihn.
    »Wahnsinn. Ich glaube, das nehme ich auch gleich noch.«
    O. k. Solange du nicht wieder kotzt. Ich frage sie, wie denn ihr Drink schmeckt.
    »Oh, auch sehr gut. Danke für deine Beratung.«
    Oh, danke, Melanie. Ich meine, bitte. Gern geschehen.
    »Du kennst dich so gut aus.«
    Das war schon fast, was ich hören will.
    Das Treffen hat sich gelohnt. Aber ich muss mich noch intensiver mit Melanie beschäftigen. Von jetzt an wird sie meine feste Begleiterin auf meinen Nachtstreifzügen sein. Ich investiere meine ganze Zeit in sie, um sie kennenzulernen und ihr meine Welt vorzustellen. Mein Wo-was-wann-wie.
    Einer der Erkundungstrips führt uns wieder ins Factory 17. Diesmal haben wir keine Zeit, uns vom Innendesign beeindrucken zu lassen. Unsere Augen strahlen sowieso. Wir sind in ein Gespräch vertieft, das sich um ein schönes Thema dreht: mich.
    »Oh, Anita, und deine Frisur. Deine Haare sind immer so up to date. Wo lässt du dir die denn schneiden? Kann ich mal mit?«

    Bisher habe ich sie nur in mein nächtliches Leben gelassen, nicht in den Alltag. Ich hatte nicht erwartet, dass der sie überhaupt interessieren könnte. Bin deshalb auch nicht auf ihr Eindringen vorbereitet. Muss morgen unbedingt herausfinden, wo MAN sich gerade die Haare schneiden lässt. Es soll doch alles perfekt sein. Das ist es, was Melanie von mir will: Perfektion. Nicht Wahrheit. Die Wahrheit finden wir beide langweilig. Das ist eine unserer vielen Gemeinsamkeiten. Jeden Tag entdecken wir neue. Warum sollte ich sie nicht noch etwas weiter in mein Leben lassen? Ist es nicht das, was ich will — alles mit jemandem teilen?
    »Danke!

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