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Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman

Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman

Titel: Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Petery
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Geschirr kaufen? Also für mich selbst. Oder, nein. Meine kleine Bewohnerin braucht noch kein Geschirr.
    »Wie heißen’s denn?«, fragt die Verkäuferin und lächelt nicht mehr.
    »Wie bitte?«, frage ich zurück.
    »Na, wie’s heißen, habe ich gefragt. Wir haben eine große Auswahl von den Tassen da, da gibt’s bestimmt auch Ihren Namen. Und dann sag ich Ihnen, was Ihr Name heißt.«
    »Was er heißt?«
    »Wissen’s das nicht, dass jeder Mensch einen Namen hat, weil der das ganze Leben bestimmt. Wenn Sie mir Ihren Namen sagen, dann sag ich Ihnen Ihre Zukunft. Und die Tasse können’s dann als Erinnerung kaufen, dass Sie’s nicht vergessen, dass es alles schon vorbestimmt ist.«
    So eine ist die also. Hm, nein, ich glaube nicht, dass ich meine Zukunft wissen will, nicht von so jemandem. Die wird doch vermutlich sowieso nur etwas von einem schönen Unbekannten und einer Weltreise erzählen, so wie die Horoskope in den Frauenzeitschriften. Nein, meinen Namen werde ich ihr nicht verraten. Aber ich will ihr irgendetwas sagen, ich mag ihren Dialekt, ich mag, dass sie aufgehört hat zu lächeln. Ich sehe das als Vertrauensbeweis, als Zeichen dafür, dass sie mich irgendwie mag. Ich mag sie auch irgendwie. Sie ist so ehrlich.
    Ich suche Hilfe bei den Tassen. Nadja ist doch schön.
    »Nadja«, sage ich.

    Sie nimmt bereits die Tasse von der Theke, weiß, wo Nadja steht, ohne den mir zugewandten Namenszug sehen zu können, und wickelt sie, während sie redet, in braunes Papier.
    »Aha, Nadja also, ha? Also, Sie sind eine sehr glückliche Person, das muss ich schon sagen. Sie geben nämlich Ihren werten Herren Eltern viel Glück, weil Ihr Name, der heißt Hoffnung auf Russisch, und die geben Sie dem Papa und der Mama, gell? Und sie selbst haben auch Grund zur Hoffnung, weil Ihr Leben sehr glücklich verlaufen wird, Sie werden mit Ihrer Familie niemals Probleme haben und auch mit der Arbeit nicht, nicht wahr, haben’s das verstanden?«
    Ich nicke brav, sie stopft das abstehende Packpapier mit einem Faustschlag in die Tasse, klebt einen Streifen Tesafilm rundherum und reißt ihn ab.
    »Tüte?«
    Ich schüttle den Kopf.
    »War’s das?«
    Ich nicke.
    »Macht sechs fünfundneunzig. Dankeschön und frohe Weihnachten.«
    Sie zieht sich wieder zurück in das Dunkel ihrer Bude und starrt mich an. Keine einzige Lüge kommt über ihre Lippen, sie meint, was sie sagt, fertig, aus. Ich bin beeindruckt.
    Ich drücke die Tasse an meine Brust und gehe die Straße hinunter. Der Markt gibt mich dem Heimweg frei. Der Geruch, das Gefühl bleibt noch in mir, ein Glücksgefühl, das ich nicht vollständig erklären kann. Oder doch: Ich habe etwas erreicht. Ich habe einen Namen für mein ungeborenes Kind: Nadja, Hoffnung. Das gibt sie ihrer Mama, gell? Doch, das tut sie. Ich hoffe. Hoffe, dass alles gutgeht. Dass ich glücklich werde. Dass sie glücklich wird. Nadja wird glücklich.
Ein glückliches, zufriedenes Kind, Mädchen, eine junge Frau. Perfekt. Arbeit und Familie. Das gibt mir Grund zur Hoffnung.
    Ich freue mich so, Mutter zu werden. Freust du dich, Tochter zu werden, Nadja?
    Ich gehe zurück zur Wohnung, werde mich dort schon wieder aufwärmen müssen. Die Tasse lasse ich nicht erkalten, ich presse sie an mich, an meinen geteilten Bauch, den ich nicht ansehen will, an Nadja.

14
HILFERUF IN DER FLASCHENPOST
    Ganz in Weiß. Die Leute werden sich wundern. »Sie ist doch schwanger«, werden sie sagen, »wie kann sie denn so rein und weiß sein und doch schwanger?« Vielleicht werden sie auch nichts sagen. Kann eine perfekte Schauspielerin wie ich sie von einer unbefleckten Empfängnis überzeugen? Kann man es ihnen noch vorgaukeln, das jugendliche, ungetrübte Glück, die Liebe zur Liebe, das große Finale, dem keine Leidenschaft vorausgegangen ist? Auf die Menge des Tülls kommt es an, auf die Röte der Rosen, auf das Aufgebot an Jungfern, die meterweise Schleppe tragen, weiße Kaskaden, wohin das misstrauische Auge auch fällt. Ich muss sie überzeugen können.
    Dass es einzig und allein mein Kind ist. Nadja gehört niemandem sonst!
    Nein: Es gibt einen Vater.
    Es muss einen Vater geben. Es gibt doch immer einen, in einer perfekten Familie, und das ist nun einmal das, was ich meiner Kleinen bieten will: nichts Geringeres als Perfektion.
    Er muss es wissen. Tobias muss informiert werden.
    Ich bin fürchterlich erleichtert, ich habe einen ersten Schritt getan. Ich bemühe mich, jemanden zu finden, der meinen Traum mit mir träumt,

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