Euro Psycho
zum Parkplatz und zu unserer Treppe hinausgehen. Drei Fenster, jedes gehört zu einer VIP -Loge, und alle drei sind beleuchtet.
Aus dem ersten der drei Fenster schauen drei Personen zu mir herunter: El Presidente, Princess Fitness und Shishakli. Im Fenster ganz außen steht der bärenhafte Lazor Duran, umgeben von seinen Gefolgsleuten, die ebenfalls euren Kev anstarren. Aber vom mittleren Fenster schaut nur eine einzelne Person zu uns hinab. Wer ist das? Ich kann sie nicht erkennen, aber steht ihr Kinn nicht beängstigend weit vor? Ist das nicht die Sorte Kinn, deren Besitzer ein verstörendes Kichern ausstößt, während er an kleinen Lämmern überflüssige Kosmetik-Tests durchführt? Ich denke schon. Der Wichser ist hier.
Nachdem er gesehen hat, wie ich auf dem Platz Blut geschwitzt habe, und gehört hat, wie ich um die Gunst der Fans geworben habe, ist ihm wohl klar, dass man mich nicht kaufen kann. Dass ich unbestechlich bin.
Und dann fangen die Fans an, »Kev King« zu skandieren, zunächst noch ganz leise, weit hinten, dann immer lauter, bis es schließlich alle rufen. »Kev King.« Wieder und wieder.
Wie schön. Ich bin erleichtert, ja, zufrieden.
Doch dann bricht der Gesang abrupt ab. Wer ist das, der da in mein Sichtfeld schwebt, emporgehoben von einem Meer williger Hände? In Regenmütze und Seemannsjacke, mit gespreizten Beinen hockt Craggsio in einem Gummiboot, seine Bauernfresse zu einem verstörten Ausdruck verzerrt.
»Craggsy! Craggsy! Craggsy!«, grölen die Hardcorefans, wieder und wieder.
Eine riesige Carrera-Bahn
»Was sollte das?«
»Keine Ahnung, Kingy. Sie haben mich einfach gepackt.«
»Die sind also über dich hergefallen, haben dich in eine Seemannskluft gesteckt und in ein Schlauchboot verfrachtet?«
»Ja.«
»Aber warum? «
»Keine Ahnung. Mir ist schwindlig.«
»Willst du mich verarschen, Craggsio?«
Er schaut mir in die Augen. »Nein, Kingy. Ich weiß nicht, was da abgeht.«
Ich glaube ihm. Er hat nicht die geringste Ahnung. Offensichtlich handelt es sich um einen bizarren Brauch der Einheimischen.
Bizarr und beschissen. Egal.
»Du kannst weitermachen, Craggs«, sage ich. Denn mein treu ergebener Diener – der mir infolge seiner wachsenden Popularität als Seemann allerdings langsam unheimlich wird –, steht irgendwo mitten in der Pampa. Er ist mit den BeJoshis Karpfen angeln. Das ist schön. Für ihn, meine ich. Geht schon in Ordnung.
Die Erwachsenen müssen jetzt übers Geschäft reden. Ich bin auf dem Kriegspfad und muss meine Forderungen stellen. Darum stehe ich vor dem vierstöckigen Herrschaftshaus von El Presidente an der Kpalandze Allee. Nachdem ich unsere aufgebrachten Fans überzeugt hatte, bin ich ins Dynamo-Stadion zurück und direkt in die VIP -Lounge gestürzt, wo ich das alte Hakenkinn gesehen hatte. Aber dort war niemand. Logisch. Er hatte sich aus dem Staub gemacht. Wie jeder anständige Bösewicht. Daraufhin habe ich die Tür zu Lazor Durans Lounge aufgerissen.
Sie war ebenfalls leer. Also bin ich in die nächste gerannt, wo ich auf Princess, King David und Aram traf, die gerade im Begriff waren zu gehen. Und bei der Gelegenheit haben sie mich zum Abendessen eingeladen, um »ein paar Dinge zu besprechen«.
Darum bin ich jetzt hier, um ein paar Dinge zu besprechen.
Oh ja. Denn große Pläne werfen ihre Schatten voraus. Im Kopf eures Kev.
Ich klingle und warte. Kurz darauf nimmt mich der betagte Bedienstete in Empfang, nicht El Presidente selbst – das werd ich mir merken –, und bringt mich in den Saal, wo Aram Shishakli vor einem Drehspiegel mit goldenem Holzrahmen steht, ein georgisches Trinkglas mit Verzierungen in der Hand.
Es gab mal eine Zeit, da wäre ich in solchen Momenten direkt zu Aram gegangen und hätte mit ihm geplaudert und gescherzt. Doch von Tag zu Tag wächst mein Misstrauen, wie ein riesiger Klumpen giftiges Moos am Rumpf eines alten Kajaks. Also begrüße ich ihn mit einem kurzen – äußerst unterkühlten – Nicken.
Dann fällt mein Blick auf Princess Fitness, sie hält ein Glas sprudelnden Schampus in der Hand und hat sich auf einem Hocker mit Damastbezug ausgebreitet. Man könnte meinen, dass sie auf ihrem Hocker wie ein kleines, affektiertes Püppchen wirkt, oder wie eine Nutte im Schaufenster.
Aber nichts davon. Irgendwie sieht sie einfach wie sie selbst aus.
Ich nicke ihr zu, und folgsam wie eine Geisha wende ich mich der nächsten Person zu. König David höchstpersönlich, der mit einem Pokerface hinter seinem
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