knurrte sie.
Da drehte auch er sich um und eilte davon.
Eva wartete, bis die fleißigen Bäcker hinter der entfernten Ecke des Schulgebäudes verschwunden waren, drückte die Alufolie wieder zu und wandte sich instinktiv weg vom Schulgebäude. Das Zeug hier musste sie verschwinden lassen, und zwar so, dass es keine neugierigen Fünftklässler wieder aus dem Abfalleimer fischen konnten. Sie ging langsam zurück zum Auto. War es richtig, den Jungs die Chance zur Flucht gegeben zu haben? Ihr fielen gleich auf Anhieb mindestens zehn Kollegen ein, die ganz und gar nicht dieser Auffassung gewesen wären.
Sie wusste es nicht, nicht mit Sicherheit. Was wusste man überhaupt schon mit Sicherheit?
Sie setzte sich in den Wagen, das Alupäckchen achtlos neben sich auf den Beifahrersitz legend. Beim nächsten Müllcontainer würde sie halten und es loswerden. Plötzlichfragte sie sich, was sie hier eigentlich machte. Sie hatte an diesem Ort, in dieser Stadt nichts mehr verloren. Ihren Sohn würde sie womöglich bloß verstören, wenn sie ihm jetzt unter die Augen trat. Wenn er überhaupt hier war.
Sie legte ihre Stirn auf das Lenkrad und wollte die Augen schließen, da fiel ihr Blick auf das zusammengeknüllte Päckchen auf dem Beifahrersitz. Immer noch stieg ein warmer Duft daraus empor. Beinahe verlockend… die plötzliche Vision eines wilden Rausches stieg in Eva empor, einer hippiehaften Glückseligkeit für ein paar Momente. Dafür gab es schließlich Rauschmittel auf der Welt. Wenn man Kopfschmerzen hatte, nahm man ja auch etwas dagegen, warum nicht auch bei Schmerzen im Gefühl?
Langsam zog sie einen Keks aus der Folie. Sie hatte gehört, dass das Zeug beim ersten Mal sowieso nicht besonders wirkte. Sie hatte bisher keine Erfahrungen damit, irgendwie waren Drogen immer an ihr vorbeigegangen.
Kurz entschlossen biss sie hinein in das krümelige, innen noch saftige Ding, kaute erst vorsichtig, dann mutiger. Der Keks schmeckte richtig gut, im Grunde einfach nur nach Keks. Lecker. Ohne diesen Duft wäre man nie darauf gekommen, dass man hier etwas Illegales in der Hand hatte. Beziehungsweise jetzt nicht mehr in der Hand, sondern im Magen.
Eva fühlte sich plötzlich hungrig, auf eine beinahe raubtierhafte Art. Sie nahm einen zweiten Keks, verschlang ihn.
Noch einen, mehr würde sie nicht nehmen. Sie brauchte ja noch ihren Verstand, um mit Oliver zu reden. Und für die Fahrt nach Hause, wo immer das war. Eva schloss die Augen. Sie war plötzlich wütend, auf Marcel und auch auf sich. Und erschöpft war sie auch. In den letzten beiden Nächten hatte sie schlecht geschlafen. Gelegentlich war dabei das Bild des stellvertretenden Direktors in ihrem Hirn aufgetaucht – lächerlich! Kindisch. Vermutlich war sie einfachüberreizt. Zehn Minuten ausruhen, ruhig werden, dann würde es besser sein. Dann würde sie entweder Oliver suchen oder fahren.
14
Liebe Unbekannte,
die Zeit ist viel zu wertvoll, um sie alleine zu verbringen. Aber ich suche keine Frau für eine Nacht, sondern für alle Tage. Wollen wir es zunächst einmal mit einem kurzen Gespräch versuchen? N.,
[email protected] Irgendetwas hämmerte aufdringlich an Evas Ohr. Ihr ganzer Kopf vibrierte schon davon … wie unangenehm! Unwirsch verzog Eva das Gesicht.
»Hallo? Hallo! Alles in Ordnung?«
Eva wollte, dass diese penetrante Stimme wegging. Und das Hämmern.
»Hallo! So wachen Sie doch auf!«
Eva überlegte, warum sie wohl nicht sehen konnte, welcher Idiot da so ein Spektakel veranstaltete. War es mitten in der Nacht? Dann war es ja umso unverschämter!
»Ich mache jetzt die Tür auf. Achtung, passen Sie auf Ihren Kopf auf!«
Phhht , was sollte das denn jetzt? Eva grummelte – und ihr Kopf fiel plötzlich ins Leere. Erschrocken japste sie auf, jemand packte sie an der Schulter, damit sie nicht umfiel, und sie öffnete endlich die Augen. Wo war sie? Was war hier los? Warum hing sie halb aus dem Auto heraus und wurde jetzt wieder hineingeschoben wie ein verrutschtes Paket?
»Alles in Ordnung? Sie haben so fest geschlafen, dass icheinfach nachsehen musste. Ich bin nämlich schon vor einer Stunde hier vorbeigekommen, und da lagen Sie genauso da!«
Eva blinzelte in die Richtung, aus der die Stimme kam. Es war so hell hier … Ein älterer Mann, schütteres Haar, besorgter Blick. Was wollte der bloß von ihr?
»Sprechen Sie doch! Soll ich einen Arzt holen? Geht es Ihnen gut?«
Mühsam kämpften sich die ersten klaren Gedanken durch das Chaos in Evas Hirn.