Eve & Adam (German Edition)
könnte ihm eine künstlerische Ader verpassen. Oder die genetischen Anlagen für ein Leben als Wissenschaftler. Ich könnte ihn so programmieren, dass er anderen Leuten helfen will.
Aber ich könnte ihn auch zu einem ängstlichen, vorsichtigen Menschen machen. Wahrscheinlich würde er länger leben. Aber vielleicht findet er dann nicht, was er sucht und braucht.
Ich könnte einen unerschrockenen Draufgänger aus ihm machen. Dann stirbt er vielleicht jung. Oder wird ein Verbrecher. Oder er treibt viel Gutes voran.
Ein Gehirn zu kreieren ist nicht so einfach und unterhaltsam wie das Gestalten eines Gesichts oder eines Körpers.
Ich bin nicht religiös, aber ich entwickele allmählich ein gewisses Mitgefühl mit Gott. Man braucht den Menschen nur so schlau zu machen, dass er Tieren Namen geben kann und sich einigermaßen zurechtfindet, und schon kommt das mit dem verbotenen Apfel auf einen zu.
Es ist nicht so einfach, wie es scheint. Ich denke an die Gehirne der Menschen, die ich kenne. Das von Aislin. Was geht in ihrem Kopf eigentlich vor? Sie ist nicht so gut in der Schule wie ich und vielleicht bringt sie das in Schwierigkeiten. Aber wenn man den Spaß zusammenzählen würde, den jeder von uns bisher gehabt hat, sähe ihr Stapel aus wie ein Wolkenkratzer neben meinem dreistöckigen Haus.
Und meine Mutter? Sie ist genial und ehrgeizig. Und setzt sich über die Moral hinweg.
Du bist ein Mod. Du bist genetisch modifiziert.
Ich höre immer noch, wie Solo das sagt: ein Mod. Als wäre das ein bekanntes Wort, das man auch im Lexikon findet.
Er klang wie ein Arzt. Wie ein Arzt, der seiner Patientin mitteilt, dass sie unheilbar krank ist.
Was bei näherem Nachdenken lustig ist, weil ich ja eigentlich Superkräfte habe. Ich werde unglaublich schnell gesund. Wie eine Comic-Heldin.
Was mir bisher nicht aufgefallen ist.
Wie intelligent bin ich, wenn ich es nicht einmal bemerkt habe?
»Er ist … so schön.«
Ich drehe mich um und sehe Aislin auf Adam zeigen. Sie sieht schrecklich aus. Blutergüsse bedecken die eine Hälfte ihres Gesichts. Durch den Verband über der genähten Wunde ist Blut gesickert und zu rostfarbenen Flecken getrocknet.
Sie ist kein Mod.
»Wie geht es dir?«, frage ich. Ich stehe nicht auf und umarme sie, obwohl ich denke, dass ich es vielleicht tun sollte.
Sie antwortet nicht. Ihr Mund steht offen. »Heirate mich, Adam. Mir ist egal, ob dir einige Teile fehlen. Ich liebe dich.«
»Ja, sein Gesicht ist ganz gut geworden. Aber nun sag schon, wie geht es dir?«
Aislin wendet widerwillig den Blick von Adam ab. »Mir brummt der Schädel. Wahrscheinlich hat jemand einen Geldschrank auf mich fallen lassen.« Sie lächelt und zuckt zusammen und ich sehe einen gezackten, abgebrochenen Zahn.
Ich habe mir mit sieben einen Zahn abgebrochen, als ich vom Schwebebalken gefallen bin. Er ist nachgewachsen. Warum habe ich das nicht merkwürdig gefunden?
Ich schweige. Aislins Unterlippe zittert. Sie bricht gleich in Tränen aus.
Ich stehe auf, schiebe den Stuhl zurück. Und umarme sie nun doch.
Warum will ich das eigentlich nicht? Warum fühle ich mich, als hätte mir jemand die Haut abgeschmirgelt und als wäre mir alles zu viel?
»Ich muss Maddox helfen«, nuschelt Aislin in meine Halsbeuge.
Ich fasse sie an den Schultern und halte sie auf Armlänge von mir weg. »Maddox ist ein Drogendealer. Ein ziemlich dummer noch dazu. Ein Dealer, der andere Dealer übers Ohr haut. Und dich da mit reinzieht.«
Aislin weicht einen Schritt von mir zurück. »Was soll ich denn tun? Zulassen, dass sie ihn umbringen?«
»Warum rufst du nicht die Polizei?«
Sie seufzt. »Dann kommt er ins Gefängnis.«
»Wahrscheinlich.«
Ich klopfe mit dem Fuß auf den Boden, eine Parodie meiner Mutter. »Im Ernst, Aislin, was hast du sonst für eine Wahl?«
Aislin lässt sich in meinen Stuhl fallen. Die Haare an ihrem Scheitel sind blutverkrustet. »Ich weiß nicht. Ich weiß gar nichts mehr.«
»Wie viel schuldet er denen?«
»Ich bitte dich nicht um Geld, E.V.«
»Wie viel?« Meine Stimme klingt hart und zynisch. Ich hasse mich dafür.
Aislin starrt auf ihre Fingernägel. »Neuntausend Dollar.«
Ich warte darauf, dass sie noch einmal sagt, dass sie kein Geld will. Dass sie mich nicht darum bittet. Aber sie bittet mich eben doch darum, deshalb kann sie es nicht sagen.
Ich will ihr kein Geld geben. Ich sollte es nicht. Aber wenn ich sie damit vor Maddox retten kann. Vor sich selbst …
»Wenn ich dir helfe, noch dieses
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