Eve & Adam (German Edition)
heilen konnte.
»Wo ist unser Muskelmann?«, fragt Aislin, als wir uns an meinen Arbeitsplatz setzen. »Du sagtest doch, er sei für den Kaffeewagen zuständig. Ich könnte etwas Koffein gebrauchen. Oder etwas anderes Stimulierendes.« Sie versucht ein anzügliches Grinsen, aber es tut eindeutig noch zu weh.
»Ich habe ihn nicht gesehen.«
»Dann müssen wir uns wohl mit Adam begnügen.« Aislin kratzt sich. »Diese Stiche machen mich wahnsinnig.«
»Ja, das kenne ich.«
»Woher willst du das kennen, Mutantenmädchen ?«
Es war als Scherz gemeint, aber ich sehe sie scharf an.
»Noch zu früh? Sorry.« Sie tätschelt mir die Schulter. »An die Arbeit. Machen wir deinen Traummann fertig.«
Adam ist inzwischen ein gut aussehender Kopf mit schwarzen Haaren, der in einer simulierten Flüssigkeit schwimmt.
Die Software hat eine interessante Funktion, die ich bisher übersehen habe. Man kann nicht nur das Alter seiner Schöpfung nach oben oder unten hin verändern, sondern sie auch an einen bestimmten Lebensstil anpassen.
In der nächsten Stunde spielen Aislin und ich mit Schultern, Brust und Bauch. Mithilfe verschiebbarer Regler können wir uns die Folgen unserer willkürlichen Entscheidungen ansehen. Hat er großen Appetit oder nicht? Treibt er viel Sport oder wenig? Es wird eine aufschlussreiche Lektion über die Grenzen der Genetik.
Adam hat die Gene für einen Waschbrettbauch. Aber wenn wir ihm zu viel Lust auf Süßigkeiten mitgeben und zu wenig Bewegungsdrang, bekommt er sofort einen Bauch.
»Lass uns ansehen, was passiert, wenn er sich total gehen lässt«, schlage ich vor.
Ich verschiebe einen Regler und Adam bekommt Männerbrüste.
»Die sind ja größer als deine!«, kreischt Aislin.
Ich schiebe den Regler rasch wieder zurück.
In Gedanken notiere ich mir: Wenn ich letzte Hand an das Gehirn lege, muss ich daran denken, dass ein wenig Überaktivität nicht schaden kann. Vielleicht ein paar Gene, die dafür sorgen, dass er unbedingt Sport treiben will. Mountainbike fahren, Tennis spielen oder Fitnesstraining.
Vielleicht würde er ja auch joggen – wie ich.
Aislin sieht Adam, der vor ihr schwebt wie ein geisterhafter Adonis, verliebt an. In einer Ecke des Raums flüstern und kichern zwei Sekretärinnen miteinander. Jemand anders pfeift anerkennend.
»Ich glaube, es ist an der Zeit, den Tatsachen ins Auge zu sehen«, sagt Aislin. »Jetzt ist sein bestes Stück dran.«
»Wir haben die Beine noch nicht.«
»Ach so, verstehe. Wir nähern uns ihm von verschiedenen Seiten, kreieren zuerst das Umfeld und bewahren uns das Beste für den Schluss auf.« Sie stößt mich mit dem Ellbogen an. »Wie in deinem Liebesleben, stimmt’s? Man bewahrt sich das Beste bis zum Schluss auf. Oder zumindest für viel später.«
»Es gibt überhaupt keinen Grund zur Eile und …«
»Oder auch für seeehr viel später. Armes Kind.«
»Beine!«, schreie ich, obwohl ich das gar nicht wollte.
»Also gut, die Beine«, fügt sich Aislin. »Kurz und dick?«
»Nein«, sage ich. »Aber versuchen könnten wir es. Ich meine, muss er denn perfekt sein?«
»Äh … ja.«
»Aber wer sagt uns, was perfekt ist?«
Aislin zuckt die Schultern, als wäre das eine dumme Frage. Vielleicht hat sie ja Recht. Doch ich diskutiere lieber über philosophische Fragen, als mit meiner besten Freundin Dinge zu entwerfen, die ich … hm … also, die ich in Wirklichkeit noch nie gesehen habe. Höchstens auf Schaubildern im Biologieunterricht. Und gelegentlich aus Versehen im Internet.
»Aber, Aislin, jeder hat doch Fehler, oder? Nobody is perfect. «
»Im Ernst?«
»Ja.«
»Aha. Und das von einem Mädchen, das nicht mit Finnian Lenzer ausgehen wollte, weil ihm seine Haare viel zu blond waren.«
»Finnian ist praktisch ein Albino«, sage ich. »Was natürlich nichts Schlimmes ist.«
»Und Antoine war zu klein und John Hanover zu dünn. Lorenzo Irgendwas hatte ein komisches Gesicht. Und Carol hast du eine Abfuhr erteilt, weil du nicht lesbisch bist.«
»Was nicht unbedingt meine Schuld ist.«
»Aber was sollte sie denn glauben? Du hast alle Jungs abgelehnt. Da musste sie ja annehmen, dass du in ihrer Liga spielst.«
»Mädchen ziehen mich nicht an.«
»Aber Jungs?«
»Das weißt du doch!«
»Theoretisch schon, praktisch nicht.«
»Ich nehme nicht jeden.«
»Du sagtest, du könntest nicht mit Tad ausgehen. Warum nicht?«
Ich murmele etwas.
Aislin legt die Hand ans Ohr. »Wie bitte? Du konntest nicht mit ihm ausgehen,
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