Eve & Adam (German Edition)
ja, ich schlafe immer ziemlich fest. Ihr könnt also allen möglichen Lärm machen …«
»Das hättest du wohl gern«, erwidert Eve. »Ich nehme den Sessel. Ich bin die Kleinste.«
Ich strecke mich auf dem Sofa aus. Vor zwei Stunden habe ich Eve geküsst. Und war total verliebt in sie.
Ich bin total verliebt in sie.
Und doch ist etwas anders. Ich liege hier im Atelier des Menschen, der meine Eltern getötet hat: Eves Vater. Terra Spikers Mann.
Ich muss daran denken, was sie den Leuten Schreckliches angetan hat. Eve, mir und noch vielen anderen.
Die Vergangenheit wiegt zu schwer. Es gibt viel zu viele Komplikationen.
Was habe ich auch erwartet, wenn ich die Wahrheit aufdecke? Solche Geschichten haben normalerweise kein Happy End.
»Ich kann nicht schlafen«, sagt Eve leise. Ich weiß nicht, ob sie mit Aislin spricht oder mit mir. Oder mit sich selbst. »Ich sehe immerzu dieses Mädchen.«
Niemand fragt, wen sie meint. Wir wissen es.
»Du hättest es mir nicht zeigen sollen«, sagt Eve, und jetzt weiß ich, dass sie mit mir spricht.
Ich stütze mich auf den Ellbogen auf. »Es wäre dir lieber, nichts davon zu wissen? Ich habe dir einen Gefallen getan!«
»Einen Gefallen?«
»Sie ist deine Mutter! Du hast ein Recht darauf, es zu wissen. Es ist deine Pflicht.«
»Nur weil ich ihre Tochter bin, bin ich doch nicht verantwortlich für ihre Verbrechen. Bist du für deine Eltern verantwortlich?«
Ich antworte nicht.
Einen Augenblick später höre ich sie scharf Luft holen. »Ach, Solo, es tut mir leid. Ich bin so müde, dass ich gar nicht mehr weiß, was ich sage.«
»Schon okay.«
»Ja, sie ist meine Mutter. Da glaubt man, dass man jemanden gut kennt und weiß, wozu er imstande ist, und dann …«
»Das Leben steckt voller Überraschungen.« Ich lege mich auf den Rücken.
Dann kreuze ich die Unterarme über meinen Augen und tue so, als würde ich schlafen.
30
ADAM
Ich öffne die Augen.
Ich sehe etwas. Ein Bild. Ein Bild, das ich kenne. Es war schon in meinem Kopf, bevor ich es das erste Mal gesehen habe. Jetzt wirkt sein Anblick in mir nach.
Es zeigt ein Mädchen.
Das Bild geht langsam in ein anderes Bild über. Dasselbe Mädchen. Diesmal sitzt es mit einem anderen Mädchen am Rand eines Schwimmbeckens.
Dann geht das zweite Bild wieder in das ursprüngliche Bild über, und ich weiß plötzlich seinen Namen.
Evening. Das Mädchen heißt Evening.
Ich sitze aufrecht auf einem Stuhl.
Ich blicke auf einen Bildschirm.
Warum? Wann habe ich mich auf diesen Stuhl gesetzt? Wie bin ich hierhergekommen? Wo war ich vorher?
Ich taste mit der Hand nach meinem Kopf und spüre ein fest anliegendes Band und Drähte, Dutzende von Drähten, die von dem Band aus irgendwohin führen.
Ist das normal? Ich habe viele Tausend Bilder von Menschen in mir. Keiner davon hat ein solches Band mit Drähten.
Noch ein Bild von Evening.
Ich liebe Evening.
Woher weiß ich das? Es liegt auf der Hand und es stimmt. Ich muss sie lieben. Sie hat mich geschaffen. Ich habe die Bilder im Kopf, Standbilder und Bilder, die sich bewegen. Evening sitzt an einer Tastatur und trifft Entscheidungen, aus denen ich kurz darauf entstehe.
Ich sehe mich durch ihre Augen, unfertig, nur in Teilen existierend, unvollständig. Ich sehe, dass sie Entscheidungen über meine Haare und mein Gesicht getroffen hat. Ich weiß, dass sie meine Brust geformt hat. Dass sie mithilfe ihrer Fantasie perfekte, muskulöse Beine geschaffen hat.
Ich bin perfekt. Ich bin Adam.
Perfekt für Evening.
Meinem Gesicht wird sie nicht widerstehen können. Sie wird sich danach sehen, meine Haut zu berühren. Wie ich mich nach ihrer Haut sehnen werde.
Sie hat meinen Körper entworfen. Sie will mich an ihrer Seite haben. Natürlich will sie das.
Man hat mir das nicht gesagt, aber ich weiß es trotzdem. Ich kann meine eigenen Schlüsse ziehen.
Mir wird gerade klar, dass man mir gar nichts gesagt hat. Niemand hat mit mir gesprochen. Ich bin eben erst … angekommen … auf diesem Stuhl. Aus dem Nirgendwo.
Ich trage Kleider, deshalb kann ich die vollkommenen Beine, die Eve mir gegeben hat, oder meine kunstvoll symmetrischen Oberarmmuskeln oder meinen festen Waschbrettbauch nicht sehen.
»Wie bin ich hergekommen?«, frage ich mich laut.
Es ist das erste Mal, dass ich etwas sage. Ich durchforste mein Gedächtnis. Kann das wahr sein? Ich habe doch bestimmt schon einmal mit jemandem gesprochen. Aber in meinem Gedächtnis taucht niemand auf.
Ich wurde eben erst
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