Eve & Adam (German Edition)
Sie hat mich dazu gebracht, alles zu vermasseln. Ihretwegen bin ich total durcheinander.
Deshalb muss ich sie unbedingt sprechen. Um das Chaos in meinem Kopf zu lichten.
Wenn ich sie jetzt noch einmal küssen würde, hätte das wahrscheinlich keine Wirkung auf mich. Keine negative Wirkung, im Sinne von, dass es etwas Gutes bewirken würde. Was für ein verwirrender Gedanke.
Wahrscheinlich bekomme ich erst dann wieder einen klaren Kopf, wenn ich diese These auf ihre Richtigkeit überprüft habe. Also die These, dass ein zweiter Kuss mir überhaupt nichts bedeuten würde.
Ich verpasse dem Müllsack auf dem Gehweg einen Tritt.
Wie auch immer, ich muss sie sprechen, herausfinden, was sie will. Sie muss der Sache zustimmen. Oder nicht? Schließlich ist sie nicht meine Chefin.
Ich weiß noch, wie ich mich von hinten an sie angeschlichen habe, als sie an ihrer Computersimulation saß. Ganz besonders erinnere ich mich daran, wie ihre Haare zur Seite fielen und ich mich nur mit Mühe beherrschen konnte, sie nicht in den Nacken zu küssen.
Sie hätte sich bestimmt umgedreht und mir eine gescheuert.
Oder aber auch nicht.
Ich beschleunige meine Schritte. Es geht bergab, deshalb komme ich gut voran.
Hat sie überhaupt schon gemerkt, dass ich mit dem Stick verschwunden bin? Ja, sicher. Verdammt!
Warum bin ich überhaupt weggelaufen?
Weil ich Angst hatte. Was ich sonst nie habe.
Der Embarcadero kommt in Sicht. Der Verkehr nimmt allmählich zu. Eine Straßenbahn fährt kreischend an mir vorbei. Zwei schwule alte Männer halten sich an der Hand und führen einen winzigen Hund an der Leine aus. Ein Penner sucht in den Müllcontainern nach Essensresten. Eine Geschäftsfrau mit grauem Kostüm und Sneakers kommt mir entgegen. Ich überlege, ob sie vielleicht die Anwältin ist, deren Büro ich benutzt habe.
Ich schiebe mich durch eine Gruppe von Pendlern und marschiere zielstrebig auf das Speichergebäude auf dem Pier zu. Dort werde ich mir Eve vornehmen: sie küssen, dass ihr Hören und Sehen vergeht. Nein, zuerst frage ich sie, ob ich ihre Mutter und das Familienunternehmen auffliegen lassen soll oder nicht.
Als ich am Rand des Piers angekommen bin, spüre ich, dass etwas nicht stimmt. Also bleibe ich stehen.
Aber es ist schon zu spät. Zwei Typen sind hinter mir aufgetaucht, kommen mir viel zu nahe.
»Wir sind bewaffnet!«
Ich drehe mich zu ihnen um.
Es handelt sich um Dr. Chen und Dr. Anapura – Koryphäen im Bereich der medizinischen Forschung.
Chen ist Mitte vierzig und blickt immer chronisch verschreckt durch seine seltsame Brille, die er wohl für cool hält.
Anapura, eines der weiblichen Asse, ist etwa fünfzehn Jahre älter als ich und hat einen langen Zopf, der ihr bis zum Hintern reicht.
»Ihr habt doch nie und nimmer Pistolen«, sage ich.
Chen deutet vielsagend und ein wenig nervös auf eine Beule unter seinem Jackett.
Anapura zieht etwas aus der Manteltasche, das aussieht wie eine Dose mit Haarspray. Was es leider nicht ist. Sie sprüht mich damit ein.
Ich sage noch etwas so Geniales wie »He!«, dann beginnt sich alles um mich zu drehen.
Als ich aufwache, riecht es irgendwie vertraut. Ich bin definitiv nicht im Speichergebäude, denn der Modergeruch ist weg, wie auch das klatschende Geräusch des Wassers, das gegen die Stützpfeiler schwappt.
Ich bin wieder in der Firma.
Kräftige Hände packen mich. Mein Kopf steckt in einer Kapuze. Ich werde auf die Füße gestellt und bekomme einen Stoß in den Rücken. Die Schuhe hat man mir weggenommen. Unter meinen nackten Füßen spüre ich Teppichboden. Meine Hände sind auf dem Rücken gefesselt. Ich spüre, dass mindestens drei, vier Menschen um mich herum sind.
Wir gehen durch eine Tür.
»Was …?«, beginne ich zu fragen, da merke ich erst, dass mein Mund mit Klebeband zugeklebt ist.
Weitere Türen. Ein Aufzug.
Wir fahren nach unten.
Steigen aus dem Aufzug, gehen durch eine gesicherte Tür – ich höre, wie jemand eine Zahlenkombination eintippt – und nehmen einen zweiten Aufzug. Und wieder fahren wir nach unten.
Wie weit eigentlich noch? So tief unten ist doch gar nichts mehr. Ich kenne den Gebäudekomplex wie meine Westentasche. Es gibt keine zweite Stelle mit Aufzügen und keinen Keller unter dem Keller.
Und doch scheint es beides zu geben.
Der Aufzug hält an und ich werde nach draußen gestoßen. Ich stolpere und pralle gegen etwas Hartes, Unnachgiebiges, wie eine Mauer, nur dass es keine ist. Ich spüre es, als es an meiner
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