Eve & Adam (German Edition)
wiederfinden. Meine Mutter hat an mir herumexperimentiert.
Ja, und dank ihr habe ich immer noch zwei funktionierende Beine. Dank ihr kann ich wieder joggen gehen.
Dank ihr überleben viele Menschen, die sonst in irgendwelchen Drecklöchern elendig krepieren würden. Natürlich werden sie irgendwann sterben, das werden wir alle. Aber weil meine Mutter Spiker Biopharm gegründet hat, sterben sie nicht heute, nicht jetzt, an einer schlimmen Krankheit.
Sofort fallen mir wieder die schrecklichen Fotos ein. Ein viel zu hoher Preis für mein Bein. Aber war der Preis auch für die Rettung all der Menschenleben zu hoch? Hängt beides überhaupt miteinander zusammen?
Hat meine Mutter vielleicht das eine getan, ohne vom anderen zu wissen?
Wir wechseln vom Stadtbus in den Bus nach Marin County. Ich will nicht mehr nachdenken.
Aislin sitzt für sich, Adam neben mir. Er berührt mich kaum, aber schon diese leichte Berührung – zehn Quadratzentimeter Schulter und dreißig Quadratzentimeter Schenkel – ist elektrisch aufgeladen.
»Bist du traurig?«, fragt er.
»Ob ich traurig bin?« Ich will seine Frage schon mit einer ironisch-witzigen Antwort abtun, aber gegenüber jemandem wie ihm macht man keine Scherze.
Seine Augen sind wie die von Solo – unglaublich blau. Aber etwas an Adams Augen ist anders. Sie sind ernst. Sein Blick ist absolut aufrichtig.
»Wahrscheinlich bin ich nur nervös«, sage ich. »Meine Mutter war für mich immer so perfekt, übermächtig. Du kennst sie ja.«
»Ich kenne nicht viele Menschen«, sagt Adam. »Ich weiß nicht, wie ich sie beurteilen soll.«
»Du kannst mir glauben«, sage ich.
»Dem Wort meiner Seelengefährtin?«
Er hat also doch Humor. Den Humor, den ich ihm einprogrammiert habe. Nicht verletzend, sondern einfühlsam. Genauso, wie ich ihn gemacht habe.
»Meine Mutter stand jedenfalls immer irgendwo ganz oben«, fahre ich fort, »höher als auf jedem Sockel. Als ob sie auf einer Wolke lebte und ich nur ein normaler Mensch weit unter ihr wäre.«
»Und du hattest auch einen Vater?«
»Ja. Meinem Dad fühlte ich mich viel näher als ihr. Er stand vermittelnd zwischen uns beiden: der kleinen Evening Spiker und der allmächtigen Terra-Mutter. So lief auch unsere Kommunikation ab. Wenn ich meiner Mutter etwas sagen wollte, tat ich es über ihn. Dann ist er gestorben und das alles … Manche Familien wachsen dann enger zusammen. Wir nicht. Meine Mutter war weiterhin ganz weit oben.«
»In den Wolken.«
»Bildlich gesprochen. Verstehst du das?«
»Ja, ich weiß, dass die Menschen nicht auf Wolken leben.«
War das ein Witz? Ich sehe ihn an.
Wir sitzen im hinteren Teil des Busses. Die Sitze haben hohe Lehnen. Niemand kann uns sehen. Aislin döst.
»Was soll ich eigentlich mit dir machen?«, frage ich Adam.
»Musst du denn etwas mit mir machen? Ich entscheide doch selbst, was ich mache, oder nicht?« Seine Unsicherheit ist nicht gespielt.
Ich weiche einer direkten Antwort aus. »Ich weiß nicht einmal, was ich jetzt mit mir selbst machen soll. Was passiert, wenn meine Mutter tatsächlich verhaftet wird? Ziehe ich dann zu meiner Großmutter?«
»Müsstest du das?«
»Ich weiß nicht, ob ich schon dazu bereit bin, meinen eigenen Haushalt zu schmeißen.«
»Freiheit«, sagt er mit einer Eindringlichkeit, die mich überrascht.
»Verantwortung«, entgegne ich.
»Hängt das miteinander zusammen?«
»Soviel ich weiß, ja.«
Seine schönen Augen – ich will nicht daran denken, wie sie ohne das Gesicht vor mir geschwebt haben – sehen mich an. Er hat sie nie so gesehen. Zum Glück nicht.
Ich bin ihm gegenüber im Vorteil. Ich weiß alles über ihn. Er kann nur so tun, als würde er in mich hineinsehen.
»Heißt das, du bist für mich verantwortlich?«, fragt Adam.
»Willst du das?«
Er runzelt die Stirn. Für einen Moment tritt Panik in seine Augen. Das verwundert mich. Wie kann er so schnell von kindlicher Naivität auf existenzielle Angst umschalten?
»Ich weiß nicht, was ich bin«, sagt er.
»Du bist Adam Allbright.« Ich versuche, unbeschwert zu lächeln.
»Ich finde dich schön, aber …« Er bricht ab.
»Das mit dem schön gefällt mir besser als das, was nach dem aber kommen wird«, sage ich betont fröhlich. Denn was soll ich sonst tun, wenn der attraktivste Junge der Welt neben mir sitzt, sich mit einigen Zentimetern seines Körpers an mich drückt und ich seinen süßen Atem auf den Lippen spüre?
»Ich soll sagen, dass du schön bist?«, fragt er. Er
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