Eve - Das brennende Leben
Bluts. Aus dem Augenwinkel sah Drem, wie in einem Zimmer Panik ausbrach. Kurz danach spritzte etwas Rotbraunes über die Wände des Zimmers und verdeckte die Sicht auf ihr weiteres Schicksal.
»Die Leute müssen die Konzentration wahren«, sagte Raseren ausdruckslos.
Sie kamen an einem Schild vorbei, auf dem stand: ABLIEFERUNGSHANGAR & LAGER FÜR INNEREIEN. Man bot Drem nicht an, diesen Abschnitt zu besuchen, und er bat auch nicht darum.
Am Ende der medizinischen Abteilung wurden sie erneut desinfiziert und passierten eine weitere versiegelte Doppeltür. Es wirkte wie der Übergang von einem Organ zum anderen. Diese Abteilung war wesentlich besser ausgestattet als die anderen. Die Helligkeit des direkten Lichts wurde leicht heruntergeregelt, dafür wurde die indirekte Beleuchtung heller. Gegenstände, die an den Wänden oder auf Holzregalen standen, wurden angestrahlt. Sie schritten über handgewebte Teppiche, die genau an die Umgebung und die darin befindlichen Möbel angepasst waren. Sogar das Metall in den Wänden war sauber und poliert. Drem war in seiner Kolonie mit Konstruktionen aus Beton und schmutzigem Eisen aufgewachsen. Große Banner mit verschiedenen Abzeichen der Blutjäger waren in unregelmäßigen Abständen aufgehängt.
Der Repräsentant wurde langsamer, damit Drem den Inhalt
der Regale betrachten konnte. Die meisten Bücher waren ledergebundene, religiöse Wälzer; die Artefakte, die vereinzelt in den Regalen standen, hatten zwar keine Beschriftung, schienen aber ein heiliges Thema als Überschrift zu haben. Er sah plastinierte Knochen und luftdicht abgeschlossene, handgefertigte Behälter. Außerdem gab es kleine Kalksteinfragmente. Viele waren übersät mit verblassten braunen Flecken. Drem vermutete, dass diese von jemandem stammten, der ziemlich heilig und ziemlich tot war.
»Dies ist die kombinierte Abteilung für Theologie und Kommandantur«, sagte Raseren. »Es ist unmöglich, in den Rängen der Blutjäger aufzusteigen, ohne unseren Glauben in- und auswendig zu kennen.«
Drem nickte. Wie jeder, der in einem religiösen Haushalt aufgewachsen war, war er sehr vertraut mit der Theologie, wenn auch mit einigen gravierenden Lücken, so dachte er bitter. Doch von den meisten dieser Texte und Gegenstände hatte er bisher kaum etwas gehört.
Der Repräsentant fuhr mit etwas leidenschaftlicherer Stimme fort: »Das, was wir tun, kann man nur dann tun, wenn man voll und ganz versteht – soweit das menschenmöglich ist –, warum wir es tun. Es geht nicht um die Wissenschaft oder die Macht, auch nicht um die Angst, die unser Tun bei anderen hervorruft – und wir sollten niemals bestreiten, dass wir aus all dem unseren Nutzen ziehen –, sondern um die Nähe zu dem Roten Gott, die darin enthalten ist. Über dieses Thema wird seit Jahrzehnten debattiert.«
Drem nickte erneut. Er wurde das Gefühl nicht los, dass der Repräsentant ihm dieselbe Rede angedeihen ließ wie den neuen Rekruten. Nicht zu leugnen war allerdings, dass der Mann starke Gefühle für dieses Thema hegte und dass er es wahrscheinlich ziemlich einseitig betrachtete. Bisher hatte er kein Wort über Drems Familie und seinen Verlust verloren.
Drem nahm an, dass er deswegen beleidigt sein sollte, aber er war einfach nur erleichtert.
Sie erreichten eine Tür aus altem, gebeiztem Holz, die keinen Griff hatte. Sie befand sich in einer Metallwand und wirkte dadurch vollkommen deplatziert. Der Repräsentant hielt eine Hand vor einen biometrischen Scanner in der Wand, wartete, bis er grünes Licht bekam, und drückte dann gegen die Tür. Geräuschlos schwang sie auf.
Der runde Raum auf der anderen Seite war groß, aber nicht hoch. Obwohl sich das organische Thema von Holz, Leder und toter Erde an den gebogenen Wänden entlang fortsetzte, wirkten die Möbel modern und funktionell. Das schloss einen riesigen runden Tisch aus schwarzem, mattiertem Glas ein. Drem hatte keine Zweifel, dass er sich hervorragend für Vid-Übertragungen eignete. Er vermutete, dass dieser Raum eher ein taktischer Bunker als eine Oase der Verehrung war.
Auf der anderen Seite des Tisches saß ein Mann, dessen Haut fast weiß war. Die Aderstränge an seinem Kopf, seinem Hals und seinen Handrücken breiteten sich wie ein zerrissenes Netz aus. Sein dunkles Haar war kurzgeschnitten. Seine Kleidung lag eng an seinem Körper an, der so wirkte, als ob alles Überflüssige entfernt worden sei. Der Mann hatte keinen Bart, einige Narben und nur sehr wenige Falten. Die
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