Eve - Das brennende Leben
Insektenflügel aussah. Ein anderer hatte einen Großteil der Sehnen in seinem Oberkörper durch etwas ersetzen lassen, das Baumwurzeln sehr ähnlich sah. Ralea schaute
sich nach weiteren Beispielen um. Doch ihr Blick wurde gnadenlos von den verflüssigten Austauschern angezogen. Diese hatten einen Teil ihrer Körperteile, sogar ganze Organe, durch eine chemische Suppe ersetzen lassen, die wahrscheinlich dieselbe Aufgabe erfüllte. Sie befand sich in einem unzerbrechlichen Glas-Aluminium-Behälter, der bis an die Oberfläche des Körpers reichte. Ralea fragte sich, welche Zukunft die Austauscher wohl vorhersahen.
Sie wollte die Verdauung eines Menschen nicht länger bei ihrer Funktion beobachten und ging zurück zur Mitte des Bereichs. Dabei richtete sie ihren Blick auf die angenehmere Form der großen, sich verändernden Figur. Als sie die Haut der Figur näher betrachtete, bemerkte sie, dass sogar die Tageszeit Teil ihrer Veränderung war. Die Zahlen schimmerten durch ihre Haut wie flüssige Pfeile. Der Termin mit dem Aufrechten Mann rückte immer näher. Ralea machte sich vorsichtig auf den Weg durch die Menge.
Ein großer Mann mit Klingen in seiner Haut hieß sie willkommen und führte sie durch einen Flur in einen leeren, großen Raum. Die Atmosphäre hier war viel entspannter. Es gab kein nennenswertes Mobiliar, nur eine Reihe großer Kissen, die auf einem Teppich verteilt waren. Die Wände waren in dunklen Farben gehalten, die Lichter leicht gedämpft, und in der Luft lag der Geruch von Räucherstäbchen. Sie wartete eine Weile und erfreute sich an der Ruhe. Dann hörte sie, wie sich eine Tür öffnete. Die Stimme eines Mannes sagte: »Tut mir leid, dass ich Sie warten ließ, Miss.«
»Kein Problem.« Ralea wandte sich dem Eingetretenen zu. Ihr war vollkommen klar, dass sie ohne ihr Geld und ihre Verbindungen – diejenigen, auf die sie auch als Flüchtige noch zurückgreifen konnte – keinen Termin bekommen hätte. Das Objekt ihrer Begierde war beliebt und lebte zurückgezogen. »Sie sind sehr pünktlich, Mister … Mann.«
Er lachte. Wie so viele auf der Messe trug er nur einen Lendenschurz und Sandalen. Er war durchschnittlich groß, athletisch und hatte klar definierte Muskeln. Ralea musterte ihn von oben bis unten, konnte aber keine Modifikationen erkennen. Als ihr Blick wieder den des Aufrechten Mannes traf, grinste der Modder sie an. In seinen Augen lag ein seltsamer Ausdruck, aber das war auf dieser Messe nichts Ungewöhnliches.
»Tut mir leid«, sagte Ralea. »Ich konnte nicht anders als neugierig sein. Sie haben einen ziemlich guten Ruf.«
»Offensichtlich.«
»Es ist sogar so, dass in Ihren letzten Interviews immer wieder behauptet wird, Sie seien einer der erfahrensten Modder da draußen. Allerdings mangelt es Ihnen an Einzelheiten. Sie sind einer der gesprächigsten Leute, wenn es um persönliche Veränderungen geht und darum, wie Sie auf den Einzelnen wirken.«
Er nickte schweigend in höflicher Zustimmung. »Was möchten Sie wissen?«, fragte er. »Und was hat Ihr Interesse an unserem kleinen Hobby geweckt?«
Ralea beschloss, zunächst von persönlichen Enthüllungen abzusehen. Sie hatte nicht die Absicht, die Gründe für ihre Anwesenheit auf der Messe preiszugeben. Stattdessen begann sie, nach Körperveränderungen zu fragen. Die lebhafte Reaktion des Aufrechten Mannes sagte ihr, dass sie die richtige Wahl getroffen hatte.
Sie unterhielten sich eine Weile über die Eindrücke, die der Aufrechte Mann von der Modding-Szene und dieser Messe gewonnen hatte; von den frühen Tagen der Szene auf den Planeten bis zur heutigen, riesigen Ausbreitung. Das Interesse an Modding kam und ging, sagte der Mann, je nachdem, was in New Eden geschah und wie viel zivile Unzufriedenheit in den jeweiligen Imperien herrschte. Ralea fragte nach technischen Dingen über bestimmte Modifikationen und achtete darauf,
dass sie gut informiert wirkte und nicht wie eine Angeberin. Der Aufrechte Mann reagierte entsprechend.
Die Unterhaltung schritt voran. Ralea hatte gerade das Gefühl, dass sie die Themen ihrer Vergangenheit und ihre Vorstellungen von Modding und Identität anschneiden konnte, als der Aufrechte Mann sie fragte, wie sie zu all dem stand.
Sie dachte darüber nach und beschloss, ihre ehrliche Meinung zu sagen. Sie wählte ihre Worte sorgsam und erklärte ihr Interesse an einer Neufindung, ihre Angst vor der daraus möglicherweise resultierenden Identitätskrise und ihre Vermutung, dass die
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