Evermore - Der Stern der Nacht - Noël, A: Evermore - Der Stern der Nacht
und aufregender ist – eine Stadt, wo er seine Ruhe vor dem Laden, vor Misa, Rafe, Marco, oh, und natürlich vor dir hat.«
Sie stemmt die Hände in die Hüften und versucht, stark zu wirken, hart und völlig unerschütterlich, aber ihr Körper spricht eine andere Sprache und verrät sie mit einem leichten Zittern.
»Oh, na klar, sicher.« Sie rollt theatralisch mit den Augen. »Jetzt soll ich also glauben, dass Roman das alles ausgerechnet dir anvertraut hat, aber mir gegenüber, der Person, mit der er geschlafen hat, nichts davon erwähnt hat? Ich meine, mal im Ernst, Ever, das ist einfach nur noch albern und lächerlich – sogar für deine Verhältnisse.«
Ich zucke nur die Achseln, da ich mir sicher bin, dass es funktioniert, dass meine Worte auf sie wirken. Ich mustere sie von Kopf bis Fuß, studiere sie genau, da ich es ja vielleicht ein bisschen übertreibe und hier und da ein bisschen ausschmücke, doch im Großen und Ganzen stimmt es. Er hatte vor, sie zu verlassen, und trotzdem ist sie versessen darauf, Jude und mich in seinem Namen zu vernichten.
»Er hat gewusst, dass du ein Riesentheater gemacht hättest, wenn er es dir gesagt hätte, und du weißt doch, wie er so was gehasst hat. Kein Mensch behauptet, dass er dich nicht mochte, Mann, Haven, ich bin sicher, er mochte dich ganz gern. Zumindest warst du ein angenehmer Zeitvertreib für ihn. Aber täusch dich nicht. Roman hat dich nicht geliebt. Er hat dich nie geliebt. Du hast es ja selbst gesagt. Weißt du noch, wie du gesagt hast, dass es in jeder Beziehung immer einen gibt, der mehr liebt als der andere – waren das nicht deine Worte? Und dann hast du sogar noch zugegeben, dass das in eurem Fall du warst. Dass du Roman geliebt hast und er dich nicht. Aber das ist ja nicht deine Schuld oder so. Also nimm es nicht zu schwer und mach dir keine Vorwürfe. Roman war einfach völlig unfähig, überhaupt irgendjemanden zu lieben. Am nächsten kamen dem noch seine Gefühle für Drina, aber auch das war keine Liebe. Es war eher eine Obsession. Drina hat seine Gedanken beherrscht. Erinnerst du dich noch an seine Finsternis-Anfälle , wie du sie immer genannt hast? Wenn er sich stundenlang allein in seinem Zimmer eingeschlossen hat? Weißt du, was er da gemacht hat? Er hat versucht, Verbindung zu Drinas Seele aufzunehmen, damit er sich nicht so mutterseelenallein auf der Welt fühlt. Sie war der einzige andere Mensch, der ihm in seinen ganzen sechshundert Jahren je etwas bedeutet hat. Womit du, wie ich leider sagen muss, nichts weiter darstellst als eine weitere Kerbe in seinem Gürtel.«
Sie ist still, so still, dass mir mulmig wird und ich mich frage, ob ich es zu weit getrieben habe, doch ich höre nicht auf. »Du schwörst Rache für den Tod eines Typen, der dich im nächsten Moment hätte sitzen lassen.«
Sie funkelt mich aus so schmalen Augenschlitzen an, dass ich die Pupillen kaum mehr sehe, ihre Brauen ziehen sich
zusammen, und der Saphir auf ihrer Stirn glüht dunkel und unheimlich. Und auf einmal fangen sämtliche Wasserhähne an zu sprudeln, die Seifenspender pumpen, die Klospülungen rauschen, die Händetrockner blasen und Massen von Klopapierrollen fliegen durch den Raum und prallen von den Wänden ab.
Und obwohl auf der Hand liegt, dass sie das macht, kann ich unmöglich sagen, ob es Absicht war oder die Folge der außer Kontrolle geratenen Wut, die ich ausgelöst habe.
So oder so, es schreckt mich nicht. Jetzt, da ich weiß, dass es funktioniert, habe ich keine andere Wahl als weiterzumachen.
Ich gehe an den Waschbecken entlang und drehe gelassen einen Wasserhahn nach dem anderen zu. »Dieser Rachefeldzug ist doch absolut unsinnig. Deine große Liebesgeschichte mit Roman war nichts weiter als – na ja, er würde vielleicht sagen, ein paar mittelmäßige Vögeleien, Kumpel. « Ich sehe sie an und gestatte mir ein kleines Lächeln über meinen spontan gelungenen britischen Akzent. »Also warum vergeudest du deine Zeit damit, eine Vergangenheit zu rächen, die es nie wirklich gegeben hat, wo du doch eine Zukunft deiner Wahl in Händen hältst?«
Kaum habe ich zu Ende gesprochen, geht sie auf mich los.
Und zwar mit voller Wucht.
Sie fegt mich einfach quer durch den Raum und knallt mich gegen die pinkfarben geflieste Wand. Mein Kopf schlägt so hart dagegen, dass das entsetzliche dumpfe Geräusch durch den ganzen Raum hallt und ein Rinnsal aus warmem Blut aus der offenen Wunde auf mein Kleid tropft.
Ich stolpere nach vorn, nur um
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