Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte
dunklem Wein hob es sich in deutlichem Kontrast von ihrer Haut und ihren hellblauen Augen ab.
An einem durchschnittlichen Tag sah Skye wie ein süßes Mädchen aus. Doch dies war kein durchschnittlicher Tag. Wenn sie wollte, dass die anderen Leute sie beachteten, dann hatte das zur Folge, dass niemand mehr die Augen von ihr abwenden konnte.
Mir war übel vor Eifersucht, und ich wollte auf der Stelle aus dem Raum verschwinden, nur um nicht mit ansehen zu müssen, wie Lucas ihr seinen Arm anbieten würde. Wenn ich das jedoch täte, dann würde ich mich die ganze Zeit mit der Frage quälen, was er zu ihr gesagt hatte, was sie darauf geantwortet hatte und so weiter. Auch wenn ich wusste, dass Lucas mich liebte, so kam ich doch nicht gegen das Gefühl der Unsicherheit an, das mich überfiel, wenn ich mich selbst mit diesem wunderschönen Mädchen und dem umwerfenden Körper verglich. O Mann, vor allem, wo nur eine von uns beiden überhaupt die ganze Zeit über einen Körper besaß.
Also blieb ich dort und beobachtete, wie Lucas auf Skye zutrat. Sein Lächeln war bewundernd, aber es lag auch etwas anderes in seinem Blick. Unsicherheit vielleicht? »Hey. Mann, Skye. Du siehst toll aus.«
»Danke«, antwortete sie kraftlos. Warum ließ ein Kompliment sie so traurig wirken? Sie nahm ein Stückchen Chiffon zwischen zwei Finger: »Das ist mal ein Kleid, was?«
»Kann man wohl sagen.«
»Ich habe es gekauft, um Craig zu beeindrucken. Craig, der mit einem Mädchen namens Britnee ausgeht. Mit doppeltem ›e‹. Irgendwie machen es diese beiden Buchstaben noch schlimmer.« Sie flirtete nicht, so viel war mir klar. Ihre strahlende Erscheinung an diesem Abend war wie eine Schlachtfahne: ein Symbol, dass sie sich nicht unterkriegen lassen würde, auch wenn ihr Herz gebrochen war.
»Lass dir nicht die Nacht verderben«, sagte Lucas schnell. »Vergiss diesen Typen, okay?«
Auch wenn sie ihre Schultern noch immer ein bisschen hängen ließ, nickte Skye, und ich entspannte mich. Es gab keinen Grund, derart eifersüchtig auf sie zu sein. Nun ja, abgesehen von diesem unglaublichen Kleid. »Ich habe seinetwegen genug geweint. Heute Nacht will ich mit meinen Freunden herumhängen und tanzen.«
»Na, da kann ich behilflich sein.« Lucas bot ihr seinen Arm an, und ich stellte fest, dass ich damit klarkam.
Der Herbstball war immer ein Spektakel, etwas aus einem anderen Jahrhundert, eine Erinnerung an die prachtvollen, üppigen Ereignisse, an die sich so viele Vampire aus ihren Jugendtagen erinnerten. Anstatt eines DJs oder einer Band spielte ein kleines Orchester klassische Musik, die sich als weitaus tanzbarer erwies, als man annehmen würde. Es gab keine blinkenden Lichter oder zeitgemäße Dekorationen an den Wänden, sondern die Große Halle war mit Hunderten von Kerzen geschmückt. Viele von ihnen hatte man vor kleine Platten aus gehämmertem Kupfer oder altmodische, an einigen Stellen blind gewordene Spiegel gestellt, damit das Licht in den ganzen Raum zurückgeworfen wurde. Jeder Junge im Saal trug einen Abendanzug oder Frack, jedes Mädchen ein bodenlanges Kleid, und einige von ihnen hatten farblich passende, lange Handschuhe an. Es war die Art von großartiger Festlichkeit, an der jedes Mädchen – und mehr Jungs, als das zugeben würden – wenigstens ein einziges Mal im Leben teilnehmen wollte.
Ich war mit Lucas sogar zweimal dort gewesen, und ich hatte meine Kleider, das Tanzen und überhaupt alles geliebt. Es stellte sich jedoch heraus, dass es auch Spaß machte, von oben zuzusehen. Ich schoss unter der Decke zwischen den Kerzen in den Kronleuchtern hin und her. Manchmal lachte ich oder beobachtete, wie Lucas Skye bedächtig durch den Walzer führte und so konzentriert aussah, dass man beinahe hören konnte, wie er eins-zwei-drei, eins-zwei-drei mitzählte. Oder ich schaute Vic und seinem Date hinterher, die angestrengt eine Armlänge Abstand zueinander hielten und offenbar einen Plan ausheckten, wie sie sich unbemerkt absetzen könnten. Dann wieder sah ich voller Bewunderung Tanzpartnern zu, die wirkliche Könner waren und nur zu gerne eine Kostprobe ihrer unzähligen Jahre Erfahrung gaben. Balthazar und Patrice waren das schönste Paar, und sie bewegten sich anmutig im Herzen der Tanzenden.
Natürlich huschte immer mal wieder einer meiner Freunde hinaus, um sich auf die Suche zu machen. Meine Eltern nickten ihnen im Vorbeigehen zu. Mom hatte ein cremefarbenes Seidenkleid an, das ich noch nie zuvor an ihr gesehen
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