Evianna Ebel und die Tafeln des Schicksals
auf- noch zugehen sehen. Evianna rieb sich die brennenden Augen. Wahrscheinlich war dieses furchtbare Neonlicht schuld an ihrer gestörten Wahrnehmung.
Aus Langeweile zählte Evianna die kleinen Felder des Sicherheitsglases in der Tür zur Station. Als sie bei gut zweihundert angekommen war, erschien Satyr im Vorraum und kam auf sie zu. Er trug Designer-Jeans und einen schwarzen Rollkragenpullover, was hervorragend zu seinen schwarzen Haaren passte und an ihm atemberaubend aussah. Das stellte nicht nur Evianna fest. Auch die Schwestern, die gerade den Flur entlang gingen, konnten ihren Blick nicht von ihm losreißen. Unaufgefordert setzte er sich neben Evianna.
„Wissen die anderen, dass du hier bist?“, fragte sie. Ihr war unbehaglich zumute. „Was glaubst du denn?“, fragte er und setzte ein beunruhigendes Lächeln auf. „Das heißt also: nein“, stellte Evianna fest. „Und? Was willst du hier?“ „Dich an dein Versprechen erinnern.“
„Welches Versprechen?“
„Wir helfen dir, du hilfst uns. Schon vergessen?“
Evianna änderte ihre Sitzposition auf dem unbequemen Stuhl. „Nein, natürlich habe ich das nicht vergessen. Aber bis dato habt ihr nichts außer einem so gut wie toten Menschen geliefert.“
Satyr winkte ab.„Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Fall gelöst ist. Und wirst du dann deinen Teil der Abmachung einhalten?“
Evianna seufzte. „Was werdet ihr tun, wenn die Tafeln des Schicksals in eurem Besitz sind? Werdet ihr wahllos Vampire jagen? Oder Menschen?“
Satyr lachte dunkel. „Nein. Denn dann sind wir frei.“
Evianna beobachtete Satyr. Sie glaubte ihm kein Wort. „Wer garantiert mir das?“ Satyr schüttelte den Kopf. Er beugte sich vor, wobei der Duft eines teuren Parfums zu Evianna herüberschwebte. „Für Garantien ist es ein bisschen spät, meinst du nicht? Du hast dein Versprechen bereits gegeben.“
Ein Mann in steriler grüner Kleidung erschien. „Adiutor Ebel?“
Evianna nickte.
„Ich bin Dr. West“, stellte er sich vor. „Es tut mir leid. Der Blutverlust war einfach zu groß. Der Mann ist eben gestorben.“
Evianna lag ein derber Fluch auf der Zunge doch sie riss sich zusammen. Sie seufzte und rieb sich die Stirn.
Welche Informationen sie sich auch immer von dem armen Kerl erhofft hatte, sie würde sie nicht mehr bekommen. Das war ärgerlich aber nicht mehr zu ändern. Evianna stand auf, zog ihren PPC hervor und tippte darauf herum. „Vielen Dank für ihre Bemühungen. Ich werde den Körper abholen lassen.“
Dr. West nickte und verschwand.
Evianna steckte den PPC zurück in die Tasche und presste die Handfläche an die Stirn.
„Kopfschmerzen?“, fragte Satyr, der sie beobachtete.
Evianna nickte stumm.
Aus der Tasche seiner Jeans zog Satyr einen kleinen Beutel mit einem rötlichen Pulver hervor. „Lös’ eine Messerspitze davon in etwas Flüssigkeit auf und dann runter damit.“
Evianna betrachtete den Beutel skeptisch. „Was ist das?“
„Ein Schmerzmittel. Was sonst?“
Evianna nahm den Beutel und steckte ihn ein.
„Du verschwindest besser, bevor die BVb hier anrückt“, sagte sie.
Satyr ließ ein Knurren hören, was wohl seine Einstellung zu dem Verein zum Ausdruck bringen sollte. Trotzdem stand er auf. „Bis bald“, sagte er und verließ unter dem schmachtenden Blicken zweier Krankenschwestern die Klinik.
Evianna blieb. Sie hatte sich vorgenommen, den Transport des Körpers in die Morphologie zu begleiten. Ungeduldig wartend schlich sie auf den langen Fluren hin und her, bis sie plötzlich etwas entdeckte, das ihre Aufmerksamkeit erregte. Das „Etwas“ kam schwungvollen Schrittes aus der Notaufnahme und nahm den Mundschutz ab, bevor „es“ an der Information einen zufriedenen Blick auf ein Klemmbrett warf.
Einem Impuls folgend, war Evianna hinter einer der Säulen im Flur in Deckung gegangen.Kein Zweifel, dieser Mann, der dort hinten in den „Nur für Personal“– Bereich verschwand, war Wolf von Ellgott.
Als sich die Tür hinter ihm schloss, kam Evianna hinter der Säule hervor und schlenderte in Richtung Information. Sie verwickelte die Schwester in ein Gespräch und warf dabei einen Blick auf das zu oberst auf dem Tisch liegende Klemmbrett. Es war der Bericht des noch unbekannten, toten Vampiropfers.
Julius kam selbst, um den toten Körper abzuholen. Zwei seiner Studenten erledigten die Arbeit, während Julius und Evianna sich um den Papierkram kümmerten. „Lass’ mich die Ergebnisse der Untersuchungso bald wie möglich wissen“,
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