Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Titel: Evolution, Zivilisation und Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mersch
Vom Netzwerk:
wiederholten Gefangenendilemmata zu kooperieren in der Lage sind (Lenzen 2003: 114).
    Kooperative Verhaltensweisen zeigen sich im Tierreich und beim Menschen auch dann sehr häufig, wenn es um die Erlangung oder Verteidigung einer höheren Position innerhalb einer Dominanzhierarchie geht (siehe dazu die Diskussion im Abschnitt
Soziale Evolution (Sozialer Wandel)
auf Seite → ), denn die Zusammenarbeit dürfte dann – sofern sie fair eingehalten wird – langfristig für beide Seiten von Vorteil sein. Solche Allianzen bilden sich nicht nur zwischen Männchen – wo die unmittelbaren Vorteile auf der Hand liegen –, sondern auch zwischen den Geschlechtern (Buss 2004: 344).
    Ein Aufstieg innerhalb von Dominanzhierarchien scheint zumindest beim Menschen mit Hochgefühlen und einer wohlwollenderen Einstellung anderen gegenüber einherzugehen. Psychologen konnten nämlich dokumentieren, dass in der sozialen Statushierarchie aufgestiegene Personen sich eher freundlich und hilfsbereit anderen gegenüber verhalten als Vergleichspersonen (Buss 2004: 463).
    Neben den Theorien der
Verwandtenselektion
und des
reziproken Altruismus
existieren noch weitere Theorien und Vorstellungen zur Entstehung und Verbreitung kooperativer und altruistischer Verhaltensweisen innerhalb biologischer Populationen.
    Allerdings machen es sich die Evolutionsbiologen bei diesem Thema unnötig schwer, da sie die enorme Wirkmacht der Sexualität zu wenig berücksichtigen. Altruistische Verhaltensweisen mögen zwar für das betreffende Individuum zunächst von Nachteil sein, das unterscheidet aber solcheEigenschaften keineswegs von anderen Handicaps und Fitnessindikatoren, die sich aufgrund von weiblichen Partnerwahlpräferenzen im Rahmen der sexuellen Selektion ausgebildet haben. Dies soll an einer leichten Abwandlung des Beispiels von Stephen J. Gould verdeutlicht werden.
Beispiel 1:
    Eine frühmenschliche Population wird von einem Säbelzahntiger angegriffen. Alle Individuen nehmen die Beine in die Hand und versuchen sich in Sicherheit zu bringen. Nur Kurt stellt sich dem Tiger mutig in den Weg, wedelt mit einem brennenden Ast und bewirft ihn mit Steinen.
    Wenn der Tiger sich nicht beirren lässt, ist es um Kurt und seine Gene geschehen. Allerdings könnte er mit seiner Taktik auch Erfolg haben und den Tiger verjagen: Noch in derselben Nacht wollen gleich mehrere Jungfrauen von ihm – und nur von ihm – beglückt werden.
    Kurt könnte also durch sein scheinbar altruistisches Verhalten seine Reproduktionschancen beträchtlich erhöhen. Seine Gene wären dann in der nächsten Generation anteilsmäßig stärker vertreten. Darüberhinaus könnte sein Verhalten – in Anbetracht seiner nächtlichen Folgen – Schule machen. Es käme dann gar zur Kooperation.
Beispiel 2:
    Eine Woche später greift der Säbelzahntiger erneut an. Doch nun stellen sich ihm bereits zehn Männer in den Weg. Frustriert und mit hängendem Kopf trottet er von dannen.
    Aber es geht auch viel banaler (Voland 2007: 138ff.):
Beispiel 3:
    Eine frühmenschliche Population durchlebt einen sehr harten Winter. Kurt gelingt es, eine Hirschkuh zu erlegen. Mit letzter Kraft schleppt er seine Beute ins heimatliche Lager, wo er das Fleisch mit allen anderen teilt.
    Am nächsten Tag zwinkern ihm mehrere Frauen geheimnisvoll zu. Noch in der gleichen Woche wird er auf jede einzelne zurückkommen.
    Wir können festhalten: Kooperatives/altruistisches Verhalten kann sich im Rahmen der sexuellen Selektion wie jeder andere Fitnessindikator durchsetzen. Solche Verhaltensweisen können speziell von der weiblichen Seite als wünschenswert, angenehm, selektierbar und vor allem als positiv interpretierbares Handicap gewertet werden: „
Ein Mann, der sich so etwas leisten kann, muss besonders fit sein.
“ Und wie wir eben erst gesehen haben, sind im Rang aufgestiegene Individuen meist hilfsbereiter als andere. Hilfsbereitschaft scheint folglich tatsächlich mit Fitness zu korrelieren.
    Gemäß Amotz und Avishag Zahavi kann das altruistische Verhalten eines Individuums einen Status- beziehungsweise Prestigegewinn in der Gruppe zur Folge haben. Das gewonnene Prestige spiegelt sich dann im Respekt wider, den andere ihm zollen. Sie führen dazu weiter aus (Zahavi/Zahavi 1998: 260ff.) 140 :
    Größeres Prestige sichert einem Individuum einen größeren Anteil am „Zugewinn“ der Partnerschaft – also eine bessere Chance, sich erfolgreich fortzupflanzen. Der Prestigezuwachs eines Partners bedeutet den

Weitere Kostenlose Bücher