Evolution, Zivilisation und Verschwendung
Treibstoffen (Öl) verschlingen. Dabei könnte er mindestens 5 Landarbeiter einsparen, die zusammen30.000 Euro pro Jahr gekostet hätten. Für Bauer Bert stellt sich die Umstellung auf die Maschinen also als ein günstiges Geschäft dar.
Am Ende des Jahres hat Bauer Anton durch seine Ölquelle 10.000 Euro verdient. Dieses Geld stellt er Bauer Christoph als Kredit zum Kauf von Landwirtschaftsmaschinen zur Verfügung. Anschließend kauft auch Bauer Christoph für 10.000 Euro Öl pro Jahr bei Bauer Anton.
Ein Jahr später erhalten die Bauern Dieter und Eberhard von Bauer Anton jeweils einen Kredit über 10.000 Euro zum Erwerb von Landwirtschaftsmaschinen, die nun gleichfalls 10.000 Euro an Treibstoff pro Jahr und Bauer verbrauchen.
Auf diese Weise schafft sich die Ölquelle ihre Abnehmer selbst.
Organisationen wollen wachsen, und zwar einerseits zwecks Erschließung neuer Märkte und Ressourcen, andererseits zur Realisierung von Skaleneffekten und den damit verbundenen Wettbewerbsvorteilen.
Im Rahmen der Globalisierung lassen die Organisationssysteme nun massenhaft ihre nationalen Beschränkungen hinter sich, wobei sie die jeweiligen Nationalstaaten regelrecht zu ihren Lieferanten für Humankapital, Ressourcen (Rohstoffe, Entsorgung, Endlagerung etc.) und Infrastrukturen degradieren, während sie sich selbst zu eigenständigen, international operierenden Systemen von geradezu ungeheuerlicher Macht und Größe aufbauen, die nun durch praktisch niemanden mehr kontrollierbar sind.
Basierte der Wohlstand eines Landes bislang maßgeblich auf der Leistungsfähigkeit seiner Unternehmen („der Wirtschaft“), so dürfte er in Zukunft eher auf dem Reichtum seiner Ressourcen (Rohstoffe wie Erdöl, Humankapital) und der Ausgereiftheit von Regelwerken und Infrastrukturen beruhen.
Bei Organisationssystemen (Organisationen, Unternehmen) handelt es sich letztlich um neuartige biologische Phänomene einer bislang unbekannten Größenordnung und mit einem gigantischen Energie- und Kapitalbedarf. Einmal auf den Weg gebracht, verhalten sie sich wie Lebewesen 175 mit einer eigenen Identität und einem eigenständigen Selbsterhaltungsinteresse, wobei sie eine beträchtliche Eigendynamik entwickeln können 176 . Ihre primäreselektive Umwelt sind vor allem die Märkte, auf denen sie bestehen wollen und müssen. Sie werden also weniger durch einzelne Menschen gesteuert, sondern in erster Linie durch Marktgeschehnisse und sonstige Wirtschaftsfaktoren 177 .
Wie wir gesehen haben, sind Märkte evolutive Infrastrukturen: Kaum eingerichtet, findet auf ihnen bereits Evolution statt, denn die Marktteilnehmer wollen sich ja selbst erhalten, und damit vor allem auch ihre Adaptionen in Relation zur Konkurrenz, weswegen sie ihre Produkte und Dienstleistungen permanent aktualisieren und verbessern müssen.
Eine Marktwirtschaft ist dann die Plattform, auf der solche evolutiven Infrastrukturen – und mit ihnen die Organisationssysteme – auf leichte Weise entstehen können, was sicherlich einerseits Innovation zur Folge hat, ohne weitere Gegenmaßnahmen aber auf der anderen Seite auch – dank Gefallen-wollen-Kommunikation – eine ungeheure Verschwendung und damit eine beschleunigte Entropie (siehe dazu das folgende Kapitel). Mit der Globalisierung haben sich diese Plattformen nun internationalisiert.
Gemäß Maturana und Varela handelt es sich bei Organismen (Mehrzellern) um autopoietische Systeme zweiter Ordnung, in denen zum Teil mehrere Milliarden Zellen zur Erfüllung einer gemeinsamen Aufgabe kooperativ zusammengeschaltet sind. In solchen Strukturen kann sich die einzelne Zelle nicht mehr selbst ernähren. Stattdessen wird sie nun vom Organismus mitversorgt, der die erforderlichen Ressourcen – insbesondere Energie – für alle seine Elemente beschafft.
Bei Organisationssystemen, die ihre Zellen zwar nicht fest an sich schweißen, sondern nur vertraglich binden (siehe dazu den Abschnitt
Systembindungen
auf Seite → ), sieht das letztlich nicht viel anders aus. So wird beispielsweise in vielen Arbeitsverträgen explizit festgelegt, dass einMitarbeiter seine Arbeitskraft ganz dem Unternehmen zur Verfügung zu stellen hat und nicht gleichzeitig noch für andere Arbeitgeber tätig werden kann.
In der Folge hängt der Selbsterhalt des Arbeitnehmers – der einzelnen Zelle des Organisationssystems – entscheidend vom wirtschaftlichen Erfolg seines Arbeitgebers ab, weshalb er sich schon bald dessen Geschäftsziele und damit insbesondere
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