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Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Titel: Evolution, Zivilisation und Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mersch
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erreicht, was mit einem auf erneuerbaren Ressourcen beruhenden technischen System möglich ist.
    Ich bin dagegen der Auffassung, dass es ab etwa der Moderne nicht mehr primär die menschlichen Gesellschaften und ihre jeweiligen technischen Systeme sind, die den Gang der Geschichte bestimmen, sondern die Organisationssysteme – Aggregationen von Menschen also – mit ihren spezifischen Anforderungen und Interessen.
6.8 Grundeinkommen
    Zum Schluss dieses Kapitels möchte ich noch kurz ein Thema diskutieren, welches auf den ersten Blick kaum etwas mit den bisherigen Ausführungen zu tun hat, an dem man aber viele der bislang angesprochenen Punkte noch einmal verdeutlichen kann: Das bedingungslose Grundeinkommen.
    Eine der zentralen Thesen Emile Durkheims war: Soziale Solidarität entsteht durch die Anerkennung einer gemeinsamen Moral, die darin mündet, dass jeder auf jeden angewiesen ist, und folglich umgekehrt auch die eigenen Fähigkeiten zur Förderung des Ganzen einzusetzen hat (Korte 2004: 46f.). Man könnte dies als die Moral der Arbeitsteilung bezeichnen.
    Wichtig hierbei sind vor allem zwei Punkte:
Jeder ist auf jeden angewiesen.
Jeder einzelne muss sich mit seinen Kompetenzen zur Förderung des Ganzen einsetzen. Oder anders gesagt: Man muss arbeiten.
    Im vorliegenden Buch wurde die These aufgestellt, dass der Prozess der Zivilisation weitestgehend mit der sukzessiven Umstellung aller dominanten Kommunikationsweisen auf die Gefallen-wollen-Kommunikation gleichzusetzen ist. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist aber die Loslösung des Individuums von allen verpflichtenden Kollektivaufgaben, und zwar unabhängig davon, ob diese über direkten Zwang (zum Beispiel Wehrpflicht)oder gesellschaftliche Rollenvorgaben (zum Beispiel Hausfrau und Mutter) vermittelt werden.
    Weil die Gemeinschaftsaufgaben nach einer solchen Loslösung nicht mehr zufriedenstellend erledigt werden (siehe dazu den Abschnitt
Tragik der Allmende
auf Seite → ), ist die Maßnahme der Institutionalisierung erforderlich, wofür es fallweise recht unterschiedliche Ausprägungen gibt. Nicht selten wird die Aufgabe dann professionalisiert und unter der Verantwortung des Staates ausgeübt (Schulen, Polizei, Berufsheer etc.).
    Die einzige Verpflichtung (Dominanz), die dem Bürger nun noch gegenüber dem Ganzen bleibt, ist: Er muss arbeiten und Steuern zahlen, damit der Staat seine Institutionen auch finanzieren kann. Genau das steckt letztlich hinter Emile Durkheims Moral-These zur sozialen Solidarität.
    Götz W. Werner zweifelt im Rahmen seiner Argumentation für das Bürgergeld selbst diese noch verbliebene letzte Verpflichtung innerhalb einer ansonsten individualistischen und arbeitsteiligen Gesellschaft an. Gemäß seiner Auffassung handelt es sich beim bedingungslosen Grundeinkommen um ein Grundrecht, welches sich angeblich sogar regelrecht aus der deutschen Verfassung ableiten lässt (Werner 2007: 59 ff.):
    Die Würde und das Lebensrecht des Menschen sind in jeder Beziehung „unantastbar“. Auf ihnen gründet alles Übrige. Niemand darf in diese Rechte eingreifen.
    Was aber bedeutet das in Hinblick auf den Zusammenhang von Arbeit und Einkommen? Im Grunde ist es ganz einfach. Wer leben, und zwar in menschlicher Würde und in Freiheit leben will, der braucht etwas zu essen, er muss sich kleiden, er benötigt ein Dach über den Kopf – und er muss in einem angemessenen Rahmen am politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Leben teilnehmen können.
    Nirgendwo in unserem Grundgesetz aber steht, dass der Mensch dafür arbeiten muss. (…)
    Dieses – unserer Verfassung völlig angemessene – Verständnis der Grundrechte hat eine simple Konsequenz: Wenn das Recht, in Würde und in Freiheit zu leben, bedingungslos ist, dann muss auch das Recht auf Essen, Trinken, Kleidung, Wohnung und auf grundlegende gesellschaftliche Teilhabe bedingungslos sein.
    Und weiter (Werner 2007: 62):
    Die Freiheit, nein zu sagen, hat aber nur der, dessen Existenzminimum gesichert ist. Das allein wäre Grund genug für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens.
    Götz W. Werner attackiert hier etwas, was aber gemäß Emile Durkheim die Grundlage für das Entstehen von sozialer Solidarität in einer insgesamt individualistischen und arbeitsteiligen Gesellschaft ist. Denn wem bereits der Staat ein ausreichendes bedingungsloses Grundeinkommen garantiert, der ist nicht länger dazu verpflichtet, seinen Beitrag zum Gemeinwohl beizutragen, der muss nicht

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