Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Titel: Evolution, Zivilisation und Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mersch
Vom Netzwerk:
ist Teil der eigenen inneren Reproduktion (
Strukturerhaltung
). Populationen könnten deshalb auch – anders als ihre Mitglieder – nahezu unbegrenzt lange fortbestehen, denn sie sind ja in der Lage, sich innerlich permanent selbst zu reproduzieren.
    Gleiches gilt für soziale Systeme (siehe den folgenden Abschnitt) und Populationen, die ihre Mitglieder nicht allesamt selbst „produzieren“, sondern sie auf andere Weise „erneuern“ (zum Beispiel durch Neueinstellungen, [Früh-]Verrentungen, Mitarbeiterfluktuation, Zu- und Abwanderung etc.). Diese Systeme können zwar im strengen Sinne nicht mehr autopoietisch genannt werden, trotzdem sind sie in der Lage, sich fortlaufend innerlich zu reproduzieren und auf diese Weise ihren Selbsterhalt sicherzustellen.
    Selbsterhalt bedeutet aber auch die ständige Erneuerung der Kompetenzen in Relation zum Lebensraum, das heißt, der Anpassung an die primäre selektive Umwelt (
Adaption
). Bei einem einzelnen Menschen gehören dazu etwa Erziehung, Imitation, Training oder Bildung. Gemäß der Darwinschen Evolutionstheorie wird die Kompetenzerneuerung von Populationen durch das Prinzip der natürlichen Selektion (siehe Abschnitt
Biologische Evolutionstheorie
auf Seite → ) sichergestellt. Ich werde im Laufe des Kapitels
Evolution
auf Seite → jedoch zeigen, dass dies so nicht ganz stimmt, und in der Folge dann auch einen alternativen Mechanismus vorschlagen, der diesen Teil des permanenten Selbsterhaltes nicht nur für Populationen, sondern auch für soziale Systeme erklären kann.
    Die klare Trennung von innerer und äußerer Reproduktion (Selbsterhalt versus Fortpflanzung) bei Lebewesen ist gewissermaßen ein Sonderfall, der aus der kurzen Lebensdauer der einzelnen Individuen resultiert (Vollmer 1994: 63). In den meisten Fällen können wir jedoch die beiden Lebensfunktionen Selbsterhalt und Reproduktion als eine Einheit betrachten und dann auch zusammenfallen lassen 42 43 .
    Ich werde im Laufe des Buches für das Interesse von Systemen, sich selbstzuerhalten beziehungsweise zu reproduzieren, je nach Kontext die beiden folgenden Begriffe verwenden 44 :
Selbsterhaltungsinteresse : Das Interesse eines Systems oder Individuums, sich selbstzuerhalten und innerlich zu reproduzieren.
Bei sozialen Systemen und Populationen wird der Begriff meist synonym mit dem Begriff Reproduktionsinteresse verwendet. Zum Selbsterhalt gehört auch der Erhalt der Adaptionen an den Lebensraum.
Reproduktionsinteresse : Das Interesse eines Systems oder Individuums, sich zu reproduzieren.
Bei Lebewesen ist dann meist ganz explizit die Fortpflanzung gemeint. Geht es dagegen vorwiegend um die innere Reproduktion von Individuen, wird der Begriff Selbsterhaltungsinteresse vorgezogen. Anders gesagt: Steht die Reproduktion der inneren Struktur und von Kompetenzen in Relation zur Umwelt bei einem einzelnen Individuum im Vordergrund, wird der Begriff Selbsterhaltungsinteresse verwendet, geht es um die Fortpflanzung von Individuen, das heißt, die Reproduktion von Kompetenzen an die nachfolgende Generation, wird der Begriff Reproduktionsinteresse vorgezogen. Das Selbsterhaltungsinteresse eines Lebewesens hat also primär mit dessen Fähigkeit zu
leben
zu tun, das Reproduktionsinteresse dagegen mit dessen (genetischem)
Überleben
.
    Systeme, die ihre Elemente zwar nicht allesamt selbst produzieren, trotzdem aber eine eigene
Identität
und ein eigenständiges
Selbsterhaltungsinteresse
besitzen, sollen im Folgenden einfachheitshalber
selbsterhaltend
genannt werden.
    Erinnern wir uns noch einmal an die von Fritz B. Simon gegebene Beschreibung autopoietischer Systeme (Simon 2007: 32).
Beschreibung autopoietischer Systeme:
    Autopoietische Systeme organisieren nicht nur ihre eigenen, internen Strukturen, sondern sie produzieren auch die Elemente, aus denen die Strukturen gebildet werden. Die kritische Variable, die sie konstant erhalten, ist ihre Organisationsform. Die Elemente sterben ab und werden neu gebildet; die Strukturen, bestehend aus Elementen und ihren Relationen zueinander, können sich wandeln; was konstant bleibt, ist das (abstrakte) Muster der Prozesse, die dafür sorgen, dass die Elemente reproduziert und in eine bestimmte Relation zueinander gebracht werden, das heißt ihre Organisation.
    Diese Definition werde ich für die weiteren Überlegungen an einigen ganz entscheidenden Stellen abändern:
Beschreibung selbsterhaltender Systeme:
    Selbsterhaltende Systeme organisieren ihre eigenen, internen

Weitere Kostenlose Bücher