Ewig sollst du bueßen
sie sofort damit auf, setzte sich anders hin und wartete nervös
auf den Urteilsspruch.
Nachdem sie Nick rausgeworfen hatte, hatte Anna sich entschlossen,
Carla sofort alles zu erzählen, bevor die Gerüchte zu ihr durchdrangen. Also
hatte Anna geduscht, sich in ihren gediegensten dunklen Anzug geworfen, sich in
die U-Bahn gesetzt und war in Carlas Büro marschiert. Anna gestand ihr die
ganze Geschichte â oder wenigstens das meiste. Sie erwähnte nicht Jacks Blumen
oder die Möglichkeit, dass er unter Umständen nicht aus rein beruflichen
Gründen zu ihr gekommen war. Carla hörte ruhig zu und stellte ein paar Fragen,
aber sie sprang nicht auf oder schrie. Carla schien das alles als Rückschlag zu
empfinden, aber nicht, wie Anna es sich vorgestellt hatte, als das
Schrecklichste, das jemals vorgekommen sei. Anna wurde klar, dass die Chefin
der Abteilung für häusliche Gewalt und Sexualverbrechen während ihrer Amtszeit
schon viele Skandale erlebt hatte.
»Ich weià es zu schätzen, dass Sie zu mir kommen und mir alles
erzählen. Dazu gehört Mut«, sagte Carla, als Anna fertig war. »Lassen Sie mich
eins fragen: Ist Ihre Beziehung mit Wagner vorbei?«
»Ja. Das war sie, seit dieser Fall angefangen hatte.«
»Hat Ihre gemeinsame Vergangenheit Ihre Arbeit am Davis-Fall in
irgendeiner Weise beeinträchtigt?«
»Nein.«
»Zwischen Jack und Ihnen â davon gehe ich aus â hat Jack alle
Anklageentscheidungen getroffen, Dealangebot und Ãhnliches?«
»Ja.«
»Okay.« Carla seufzte, hielt einen Augenblick inne und überlegte.
»Ich denke, wir haben eine Chance, dies durchzustehen. Aber es wird nicht schön
werden.« Carla griff zum Telefon. »Wir müssen die Spitze informieren.«
Ein paar Minuten später fand sich Anna hier wieder, auf einem Besucherstuhl
im Büro des US-Bundesstaatsanwalts, während Carla ihre Geschichte zusammenfasste.
»Ich verstehe.« McFadden drückte seine Fingerspitzen aneinander, als
Carla zum Ende kam. Er betrachtete Anna für einen Augenblick, nahm sein Telefon
und wählte Jacks Nummer. Jack nahm nicht ab. McFadden legte den Hörer wieder
auf und wandte sich an das hohe Tier auf der Couch. »Donald, was hältst du
davon?«
Donald blickte Anna nicht an. »Nun, Miss Curtis ist immer noch in
ihrer Probezeit.«
»Und das heiÃt?«
»Das Anstellungsverhältnis kann jederzeit beendet werden, egal aus
welchem Grund, und fristlos.«
»Hm.«
Anna setzte sich gerade hin. Donald, wer auch immer er sein mochte,
sprach sich dafür aus, sie zu feuern. Sie wollte darauf antworten, doch Carla
kam ihr zuvor.
»Keinesfalls«, sagte Carla bestimmt. »Das steht nicht zur Debatte.«
»Carla, Sie müssen aber zugeben, dass hier ein schwerwiegendes
ethisches Problem vorliegt«, meinte Donald ernst.
»Nein, das glaube ich nicht. Anna hat mir gesagt, dass ihre Beziehung
mit dem Strafverteidiger bei Beginn des Falls vorüber war und ihr
Entscheidungsvermögen oder die Entscheidungen des Teams in Bezug auf den
Davis-Fall in keiner Weise beeinträchtigt waren. Und ich glaube ihr.«
McFadden seufzte. »Das tun wir alle. Aber trotzdem müssen wir diese
Sachlage an die Abteilung für Ethik und Professionalität berichten. Sie
wiederum könnte die Anwaltskammer von D.C. in Kenntnis setzen.«
Anna klappte der Mund auf. Allein schon an diese Komitees verwiesen
zu werden, grenzte an einen Skandal. Die Ethikbehörde war im Justizministerium
für die ethischen Regeln zuständig. Wenn dort befunden wurde, dass sie diese
Regeln verletzt hatte, würde sie ihren Job hier verlieren. Schlimmer noch, wenn
sie an die Anwaltskammer von D.C. verwiesen wurde, konnte sogar ihre
Anwaltslizenz widerrufen werden.
»Warum?«, fragte Anna. »Wenn Sie mir doch glauben?«
»Es geht nicht darum, ob wir Ihnen
glauben, Anna.« McFadden klang ernst, aber nicht unfreundlich. »Es geht darum,
nach den Vorschriften zu handeln. Wir sind die Vertreter der Anklage. Wir
versuchen jeden Tag, Menschen ins Gefängnis zu bringen, ihnen die Freiheit zu
nehmen. Um das zu tun, müssen wir moralisch auf sehr hohem Niveau stehen, uns
an höchste Standards halten. Wenn Sie mit Mr. Wagner eine Liebesbeziehung während
Ihrer Zeit als gegnerische Anwältin gehabt hätten, dann wäre das eine ethische
Verfehlung. In so einer Situation ist es
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