Ewige Versuchung - 5
Nachrichten an unterschiedliche Bekannte, von denen er wusste, dass seine Freunde zu ihnen gehen würden.
Inzwischen dürfte Chapel, ein anderer Vampir, sein vormaliges Versteck in England entdeckt haben. Temple war entführt worden, ehe er mit ihm sprechen konnte, aber es waren hinreichend Beweise zurückgeblieben. Folglich wusste Chapel, dass etwas Übles geschehen war, und würde die anderen benachrichtigen. Und mindestens einer von ihnen sollte zwischenzeitlich eines der Medaillons erhalten haben.
Sie würden kommen. Sie würden nicht in die Falle tappen, die Villiers ihnen in Italien stellte. Und gemeinsam würden sie alle fünf ihren Angriff auf den Silberhandorden planen. Das musste enden. Was mit Vivian passierte, wenn es zur finalen Schlacht kam, mochte Temple sich überhaupt nicht ausmalen.
Ohne auch nur auf die Papiere zu schauen, was Temple ihr hoch anrechnete, antwortete Brownie: »Selbstverständlich, ich habe am späteren Nachmittag ohnehin noch einige Korrespondenz zu versenden.«
Temple bedankte sich, sagte ihr, dass er später mit ihr reden würde, und schloss die Tür. Als er sich umdrehte, stellte er fest, dass Vivian ihn genauestens beobachtete, während sie ein blättriges Croissant auseinanderzupfte und sich Bröckchen davon in den Mund steckte. Für einen Moment überkam Temple Traurigkeit, wusste er doch, dass die abgeschiedene Zweisamkeit mit ihr von kurzer Dauer wäre.
»Also«, setzte sie an und pflückte noch ein Stück von dem Blätterteiggebäck, »willst du auch etwas essen?«
Sogleich dachte er an ihren Schenkel, der vorhin so köstlich ausgesehen hatte, und schenkte ihr ein breites Grinsen, seine Reißzähne vollständig verlängert.
»Ja.« Er schob den Riegel vor die Tür. »Ich denke schon.«
Kapitel 6
K ein Wort von Vivian.
Rupert Villiers saß hinter dem massiven Schreibtisch in der Bibliothek seines Londoner Stadthauses und rieb sich über den langen säuberlich gestutzten Backenbart. Gedankenversunken blickte er durch das Fenster hinaus auf den vorbeiziehenden Abendverkehr im Westend.
Fast eine Woche war seit ihrem Telegramm vergangen, in dem sie ihm mitgeteilt hatte, dass sie in Irland angekommen war und Vorbereitungen für die Überfahrt nach Clare traf. Seine Kontakte hatten bestätigt, dass Temple sich auf der Insel aufhielt und Vivian inzwischen auch dort sein müsste. Warum also benachrichtigte sie ihn nicht?
Gewiss hätte er es erfahren, wenn sie tot wäre. Dann hätte ihn mittlerweile jemand kontaktiert, um ihm die furchtbare Nachricht zu überbringen. Nein, er hätte Vivian gar nicht erst hingeschickt, hielte er es für denkbar, dass Temple sie umbrachte. Sie war viel zu wichtig für ihn. Und er konnte unmöglich falsch eingeschätzt haben, wie reizvoll Temple sie fand.
Sie durfte nicht tot sein. Sie war schlicht zu wichtig für seine Pläne, als dass er auch nur den Gedanken ertrug, sie zu verlieren. Es musste eine andere Erklärung geben, weshalb sie sich nicht meldete – eine, die mit einschloss, dass sie lebte. Wahrscheinlich wärmte sie dem Vampir schon das Bett. Bei diesem Gedanken bekam er Sodbrennen, aber leider war es unumgänglich, sollte Temple Ruperts Plänen entsprechend agieren. Und je erfahrener Vivian in derlei Dingen war, umso besser würde alles, wenn sie zusammenkamen und sie endlich sein wurde.
Nach zwanzig Jahren Planung stand er kurz vor der Erfüllung all seiner Träume. Fast ein Jahrzehnt hatte es gedauert, in die höchsten Ordensränge aufzusteigen. Heute erkannten sie die Möglichkeiten, die seine Pläne eröffneten. Dass er Vivian entdeckt hatte, war ausgesprochen günstig gewesen und hatte ihm sehr geholfen, die anderen für sich zu gewinnen. Weitere fünf Jahre Experimente an niederen Vampiren hatten hinlänglich bewiesen, was Vivian vermochte. Sie hatten gesehen, wie die jungen Vampire auf sie reagierten, und obgleich Vivian selbst es gar nicht begriff, tat es der Orden durchaus. Damals begann Ruperts kontinuierlicher Aufstieg, und er schaute nie mehr zurück. Heute war er der mächtigste Mann im Orden, denn seine einzige Konkurrenz für diese Position war vor einigen Monaten bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen. Bald würde er der mächtigste Mann auf der Welt sein. Was für ein Unterschied zu jenem dummen Jungen, der seine Verlobte an einen Vampir verlor! Nun, da das Schicksal seinen Zauber wirkte, hatte er Payen Carr eigentlich für vieles zu danken. Hätte Payen sich nicht eingemischt, hätte er ihm nicht den
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