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Ewige Versuchung - 5

Ewige Versuchung - 5

Titel: Ewige Versuchung - 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Smith
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Frau war. Andererseits – so wie sie Vivian immerzu anstarrten, dürften sie es wohl doch ahnen.
    Sie stützte ihr Gewicht auf eine Krücke und stellte ihren gesunden Fuß auf die unterste Sprosse. Von dort stemmte sie sich auf dieselbe Weise eine Stufe höher und dann noch eine. Als ihre Krücke nicht mehr auf den Boden reichte, gab sie sie einem der Mädchen und stützte sich an der Leiter ab. Agnes stand nicht allzu weit oben, vielleicht auf der fünften oder sechsten Sprosse, doch das war hoch genug. Zum Glück war es keine Klappleiter, sondern eine mit zwei zusätzlichen Füßen unten, hinreichend stabil, um Vivian und Agnes zu tragen.
    Vivian hob ihr Bein, um den lahmen Fuß eine Sprosse höher zu hieven. Nun befand ihr Oberschenkel sich gleich unter dem Po des Mädchens. »Kannst du dich hinsetzen, Agnes?«
    Das Mädchen nickte schniefend und ließ sich vorsichtig hinunter. Agnes’ Angst brach Vivian beinahe das Herz. Ihr Fliegengewicht auf dem Bein und dem gestauchten Schenkel machte Vivian nichts aus. Zwar tat es weh, aber darauf achtete sie gar nicht, als sie mit ihrem linken Arm Agnes’ Taille umfasste. »Sehr gut. Und jetzt leg deinen Arm in meinen Nacken!«
    Prompt umschlang Agnes ihren Hals, als wäre Vivian eine Boje in tosender See. »Nicht ganz so fest. Ich habe dich.«
    Nun nahm Vivian ihr lahmes Bein von der Sprosse, so dass sie die federleichte Agnes auf einem Arm trug, und stieg langsam
     mit ihr die Leiter hinab.
    Bis sie unten ankam, pochte ihr Bein vom Knöchel bis zum Oberschenkel. Agnes, die nun sicher auf dem Boden stand, warf ihre Arme um Vivian und drückte sie. Der Kopf des Mädchens reichte ihr nur bis zur Brust, und es fühlte sich merkwürdig an, so herzlich von einer anderen Frau umarmt zu werden. Das hatte Vivian nicht mehr erlebt, seit ihre Mutter gestorben war. Bei diesem Gedanken brannten ihre Augen.
    »Ich danke Ihnen, Miss!«, rief Agnes, die sie immer noch drückte. »Ich hatte solche Angst, zu fallen!«
    Vivian klopfte ihr auf den Rücken. »Jetzt bist du ja sicher.«
    Als das junge Mädchen sie losließ, sah Vivian zu einer der älteren Frauen. »Die Scones duften herrlich. Darf ich vielleicht mit euch Tee trinken?«
    Wieder einmal erntete sie erstaunte Blicke. »Sie möchten mit uns Tee trinken, Miss?«, fragte Agnes so voller Staunen und Dankbarkeit, dass Vivian sich innerlich krümmte.
    »Ich heiße Vivian«, entgegnete sie, »und, ja, ich würde gern mit euch eine Tasse Tee trinken, falls ihr nichts dagegen habt.«
    Der Kakophonie an Freudenbekundungen nach zu urteilen, hatten sie ganz und gar nichts dagegen. Eine der Frauen zog rasch einen Stuhl für Vivian unter dem Tisch hervor, die dankend hinhinkte und sich setzte.
    Sie behandelten sie wie eine Königin, stellten ihr einen Teller mit warmen Scones hin, die bereits mit fetter Sahne und Erdbeermarmelade bestrichen waren. Den Tee reichten sie ihr in einer alten Porzellantasse, und er schmeckte stark und süß.
    Bald saßen sie alle um den Tisch, aßen und tranken. Sollten sie sich anfänglich unwohl in Vivians Gegenwart gefühlt haben, war das schnell überwunden, denn sie erzählten ihr von ihrem Alltag und scherzten freundlich miteinander.
    »Ich beneide euch«, gestand Vivian, die sich noch einen mit Sahne und Marmelade beladenen Scone nahm, »um eure Freundschaft. Ich habe überhaupt keine Freundinnen.«
    Alle sahen sie mit einer Mischung aus Schreck und Kummer an. »Du hast uns, Miss, äh, Vivian.« Es war Shannon, die das sagte, und eine der älteren Frauen klopfte ihr anerkennend auf die Schulter.
    Vivian spürte, wie ihr die Tränen kamen, ehe sie etwas dagegen tun konnte. Hastig wischte sie sich über die Wange. »Danke. Ich danke euch vielmals.«
    Dann plauderten sie weiter. Ein paar Mädchen machten kecke Bemerkungen über Temple und darüber, wie elegant er war. Vivian versuchte, nicht darauf zu achten, wie sie ihre Reaktion beobachteten, wann immer sein Name fiel. Und sie selbst steuerte nichts zu dem Gespräch bei, denn im Augenblick war sie hin- und hergerissen. Sie wollte diesen Mann in ihrem Bett und zugleich wünschte sie ihn in die Hölle.
    »Verehrt ihr alle Lilith?«, erkundigte sie sich, als Agnes ihr Tee nachschenkte.
    »Jetzt ja«, antwortete Mary, eine der Älteren, für alle. »Mrs. Cooper-Brown hat uns alles über die Göttin gelehrt und uns auf den richtigen Pfad gebracht. Sie rettete uns vor einem bitteren Leben, Miss Vivian. Mich zum Beispiel warf mein Mann nach unserer dritten

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