Ewige Versuchung - 5
das gefärbte Glas und ihre schmalen Finger hinunter.
Sie wollte ihn umbringen!
»Das hat jetzt ein Ende«, erklärte sie ihm kühl, »hier und jetzt!«
»Du bist keine Mörderin«, murmelte er und hauchte einen erleichterten Seufzer, als seine Finger sich um den Klingelzug schlossen.
»Vielleicht nicht«, erwiderte sie, ihr hübsches Gesicht grimmig, als sie näher kam. »Aber ich kann und ich werde dich töten, um meinen Gemahl zu schützen.«
Gemahl. Payen. Bastard! War erst alles nach seinem Plan verlaufen, würde er ihn jagen und den Hurensohn töten.
Aber fürs Erste musste er sich darauf beschränken, Hilfe zu rufen. Er zog an der Kordel, die eine Glocke in der Diele läuten ließ. Und er riss nicht nur ein Mal an ihr, sondern gleich mehrmals hintereinander, so dass ein panisches Gebimmel durch das Haus hallte.
Die Tür flog auf, und als die Wachen hereingerannt kamen, bedachte Violet ihn mit einem verärgerten Blick. »Ich hätte dich in dem Moment töten sollen, in dem ich hereinkam.«
»Ja«, stimmte er zu, »aber das hast du nicht. Du warst noch nie sonderlich helle, meine Liebe.« Dann sagte er zu seinen Wachen: »Erschießt sie!«
Pistolen richteten sich auf sie, doch ehe irgendjemand feuern konnte, grinste Violet ihn kühl an. »Wir sehen uns wieder, Rupert. Und zieh um Himmels willen die Hose hoch!«
Dann war sie auf dem Schreibtisch und rannte mit der Geschwindigkeit eines Panthers auf das Fenster zu, während Schüsse knallten. Er konnte nicht sagen, ob sie getroffen wurde. Putz platzte von den Wänden, wo die verfehlten Kugeln einschlugen. Zugleich streckte Violet ihre Arme hoch über den Kopf und tauchte durch ein offenes Fenster. Sicher stieg sie sofort in die Luft auf oder landete elegant auf der Straße unten. Ruperts Männer liefen zum Fenster, aber er wusste schon, dass sie längst fort war.
Seine Beine zitterten, als er wieder Luft holte. Fortan musste er viel vorsichtiger sein – sehr viel vorsichtiger. Und zugleich konnte er nicht umhin, eine gewisse Befriedigung zu empfinden, weil die Vampire ihn offensichtlich für gefährlich hielten.
Allein diese Erkenntnis zauberte ein Lächeln auf sein Gesicht. Tatsächlich stellten die zuvor empfundene Ruhe und Siegesgewissheit sich immerhin teilweise wieder ein.
Dann musste er sich allerdings abwenden, denn seine Erektion war während der Auseinandersetzung mit Violet nicht erschlafft – ganz im Gegenteil: Sie war sogar noch härter geworden, und er wollte nicht, dass seine Männer es sahen.
Also kehrte er ihnen den Rücken zu und zog seine Hose hoch.
Chapel und Bishop trafen um vier Uhr morgens ein. Sie erschienen in Begleitung ihrer Ehefrauen, der hübschen Prudence und der exotischen Marika. Außerdem brachten sie Pater Francis Molyneux mit, einen alten Freund, sowie einen jungen Mann namens Marcus Grey. Alle waren nun in Temples Räumen versammelt.
Marcus Greys Züge wirkten auf irritierende Weise vertraut. Temple erkannte seine Stimme aus der Zeit in Cornwall wieder, als Mr. Grey sich in sein Versteck vorgegraben hatte, aber es war nicht die Stimme, die ihn verwirrte. Da war etwas an seinem Geruch, an seinem Wesen, das ihn wie einen alten Freund erscheinen ließ.
»Er ist ein Nachkomme von Dreux«, erklärte Chapel, als er Temple ertappte, wie er den jungen Mann anstarrte. »Er war in Cornwall, um nach Antworten auf die Legenden zu suchen, die seinen Vorfahren und dessen ›Freunde‹ umrankten.«
Dreux. Ein halbes Jahrtausend war seit seinem Tod vergangen, und doch schmerzte Temple der Verlust bis heute. An jenem Morgen, als Dreux in den Sonnenaufgang hinausgegangen war, weil er nicht mit dem leben konnte, was er geworden war, hatte sich alles geändert.
Temple nickte. »Ja, das erklärt es.« Doch ehe er mit dem jungen Mann reden konnte, ging die Tür zu seiner Wohnung auf. Saint, Reign und ihre Frauen – Ivy und Olivia – kamen herein. Temple fragte sich, ob Reigns Verdacht wahr sein konnte. Er hatte Temple gebeten, den anderen nichts zu sagen, aber Reign fürchtete, dass seine Frau guter Hoffnung war. Temple wusste nicht einmal, ob so etwas möglich war, geschweige denn, wie es ausginge.
Ein geborener, kein gebissener Vampir? Ein Vampir-Baby? Würde es menschlich geboren? Vampirisch? Könnte es altern? Wie schrecklich wäre es, auf ewig ein Säugling zu sein? Oder würde es als normales Kind aufwachsen? Sie konnten es gar nicht wissen, und Reign zufolge hatte Olivia furchtbare Angst, was Temple ihr nicht
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