Ewiges Blut - ein Vampirroman (German Edition)
wahrscheinlich weil sie sich so ähnlich waren.
Benjamin beobachtete seinen Sohn aufmerksam. Es schien, als fiele es ihm unendlich schwer, den Grund seines außerplanmäßigen Besuchs zu offenbaren.
Jim zog sich einen Stuhl mit dunkelgrünen Plastikpolstern heran und setzte sich neben das Bett seines Vaters. Seine Blicke wanderten nach draußen, und er versuchte die unangenehmen Erinnerungen an sein Gespräch mit Ripley abzustreifen. Dann räusperte er sich.
» Wie hast du damals gewußt, das sie keine Menschen waren? «
Benjamin Clairley sah seinen Sohn erschrocken an. Noch nie hatte der sich ernsthaft für dieses Thema interessiert. Mit einem prüfenden Blick fragte er: » Willst du jetzt feststellen, ob ich völlig senil bin? «
» Nein « , antwortete Jim. » Ich muß das wirklich wissen. Erzähl’ mir die Geschichte, von Anfang an. Das könnte für mich von enormer Wichtigkeit sein. «
Benjamins Augen verengten sich, und er fragte leise: » Sind sie wieder da? «
» Das ist durchaus möglich « , antwortete Jim und nickte langsam.
» Also gut « , begann der Alte. » Ich werde dir diese Dinge berichten, in der Hoffnung, du wirst erfolgreicher sein, als ich. «
Erschöpft ließ sich der alte Mann zurücksinken. Aber der erwartungsvolle Ausdruck in Jims Augen ließ ihn weitererzählen, obwohl er sich momentan nur nach Schlaf sehnte.
» Gleich bei meinem ersten Auftrag für den Kreis von Merrick lernte ich ihn kennen – Jake Willoby. Er war der grausamste Mensch – zuerst dachte ich ja, daß ich es mit Menschen zu tun habe – den ich je kennengelernt habe. Ich dachte anfangs, es wären Menschen mit übersinnlichen Gaben, die wir verfolgten. Hätte nie gedacht, daß der Kreis seine Leute für solche Todesmissionen einsetzt.
Aber zurück zu Willoby. Für ihn war ein Leben absolut nichts wert. Er war gefährlich, und immer steckte er in irgendwelchen Schwierigkeiten. Aber er war wichtig; und so beschloß ich an ihm dran zu bleiben. Und ein Zwischenfall brachte mich dann auf den Gedanken, weiter nachzuforschen, zu ergründen was der Kreis von ihm wollte... «
... Benjamin Clairley stand auf verlorenem Posten. Wie war er nur in diese idiotische Schießerei geraten? Er hatte nur eine Möglichkeit: Er mußte hinter Willoby her – in die Kanalisation. Langsam robbte er zu dem schräg gestellten Kanaldeckel, durch den Willoby eben verschwunden war. Als er den Deckel vorsichtig anhob, erschrak er: überall war Blut! Willoby mußte getroffen worden sein und – nach der Menge des Bluts zu urteilen – standen seine Chancen schlecht.
Geschickt ließ sich Clairley durch die schmale Öffnung gleiten. Modrige Nässe schlug ihm entgegen, so daß er den Atem anhielt. Wenn Willoby jetzt tot war, mußte er wieder von vorn anfangen, ärgerte sich Clairley. Es war ihm ein Rätsel, wie so etwas passieren konnte. Wer hatte den Befehl zur Erstürmung des Fabrikgebäudes gegeben?
Dumpf platschend kam Benjamin Clairley in der dunklen Suppe zum Stehen. Wie er das haßte! Langsam gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit, und er begann, den Tunnel nach Willoby abzusuchen. Er hoffte, daß ihm ein auf dem Bauch schwimmender Jake Willoby erspart blieb.
» Willoby, wo bist du? « fragte Benjamin leise in die Stille hinein. Seine Stimme hallte unheimlich von den Tunnelwänden wieder. Langsam tastete er sich weiter in das verzweigte Kanalsystem vor.
» Willoby, wo... « Eine eisige Hand schoß aus einer kleinen Seiteneinmündung hervor und riß ihn fast von den Füßen. » Schnauze, Ben. «
Clairley blieb vor Schreck die Luft weg. Vor ihm stand Willoby, und er war schlimmer getroffen, als Benjamin gedacht hatte. Unter seinem rechten Auge klaffte ein faustgroßes Loch, unter dem ein weiß schimmernder Wangenknochen hervortrat. Auch seine Schulter war getroffen, wie man unter der zerfetzten Jacke sehen konnte. Benjamin hätte sich beinahe übergeben. Es war für ihn unbegreiflich, wie Willoby in diesem Moment noch grinsen konnte. Seine offene Gesichtshälfte verzerrte sich zu einer grotesken Maske. Aber das Schlimmste für Benjamin war, daß er sich angucken mußte, wie sich das zerstörte Fleisch von selbst regenerierte. Benjamin wollte sich abwenden, aber Willoby hielt seine Schultern unerbittlich umklammert und zwang ihn, dabei zuzusehen. Benjamin hätte nicht sagen können, wie lange es dauerte, bis Willobys Gesicht und Schulter wieder vollkommen hergestellt waren. Vielleicht hatte es nur eine Augenblick gedauert –
Weitere Kostenlose Bücher