Ewiges Blut - ein Vampirroman (German Edition)
Kreislauf von Leben und Tod, von Vermehrung und Absterben, der wunderbare Kreislauf der Natur.
Alex liebte es. Auch wenn ihm sehr deutlich bewußt wurde, daß er nur den einen Teil dieses Kreislaufs darstellte. Ach, auch er hatte die Gabe, Leben zu schenken – doch zuvor mußte er es nehmen.
Denn es war doch ein Leben, was er führte. Und er war unsterblich! War das nicht erstrebenswert?
Alex streifte als Jäger durch die dichte Wildnis. Für ihn würde der Dschungel niemals grün sein – trotzdem liebte er ihn.
Er streifte durch das undurchdringliche Dickicht, nährte sich an kleinen, pelzigen, quiekendenWesen, die ihn augenblicklich als das erkannten, was er war. Sie ließen sich nicht täuschen.
Doch glücklich war Alex nicht. Seine Trauer schien lediglich etwas besänftigt. Der Schmerz jedoch saß zu tief, fraß an seinen Eingeweiden und schuf ein immer größer werdendes schwarzes Loch.
Und so sehr er den Urwald liebte – er war nicht seine Heimat. Alex war einsam. Er gehörte nicht hierher. Das war nicht seine Welt.
Manchmal war er ein Gott, manchmal ein wildes Tier – aber in erster Linie war Alex ein Mensch. Und er brauchte die Menschen um sich herum. Brauchte ihre Nähe, ihre Liebe. Brauchte ihre warmen Körper. Er brauchte sie schlicht zum Leben. Und diese Einsicht schmerzte sehr.
Doch hatte nicht schon Aristoteles gesagt, daß der Mensch ein gesellschaftsbildendes Wesen war? Daß die, die ohne Gesellschaft auskamen, entweder göttlichen oder tierischen Ursprungs sein mußten? – Alex vereinte dies alles, doch seine menschliche Seele sehnte sich nach Nähe.
Und er vermißte Brian.
Doch die Sonne bahnte sich schon langsam ihren Weg durch die Morgendämmerung, und Alex brauchte einen Unterschlupf. Zunächst suchte er etwas wie eine Höhle in seiner Umgebung, als jedoch der erste Lichtstrahl seine Kraft durch das grüne Blattwerk sandte, legte Alex sich erschöpft auf den Boden und grub sich in Sekundenschnelle in den weichen Untergrund. Eine verwirrende Müdigkeit überfiel ihn, und er war froh, nicht weiter über seine Einsamkeit nachdenken zu müssen. Erlösender Schlaf übermannte ihn.
Alex blieb nur noch eine weitere Nacht im Urwald Südamerikas. Dann trieben ihn seine Gedanken und seine Sehnsucht nach Hause. Die Kreaturen der Wildnis waren nicht seine Familie.
Als Alex wieder in seinem eigenen Haus vor dem Spiegel stand, mußte er lachen. Seine Kleider waren zerrissen und starrten vor Schmutz. Sein ehemals weißes Hemd konnte unmöglich mehr als ein solches betrachtet werden, und auch seine Hose war irreparabel beschädigt. Selbst seine seidige Haut war von einer Schmutzkruste überzogen.
» Alexander, du ähnelst eher einem Erdferkel, als einem englischen Lord « , sagte er zu sich und wischte sich mit der Hand eine dreckige Haarsträhne aus dem Gesicht.
Dann streifte er die zerschlissene Kleidung vom Körper und stellte sich unter den heißen Strahl der Dusche. Das Wasser prasselte angenehm auf seine übernatürliche Haut und nahm den Schmutz mit sich – doch die Schwärze in seiner Seele blieb.
Aber das Wasser wärmte ihn wenigstens ein wenig. Alex starrte auf seine marmorweißen Hände. Er mußte noch auf die Jagd, sonst würde der Durst morgen übermächtig sein. Er seufzte und stieg wie ein gewöhnlicher Mensch aus der Dusche, um sich abzutrocknen.
Dann zog er sich eine einfache blaue Jeans und einen schwarzen Pullover an und verließ sein Haus in Greenwich Village. Eine Zeitlang ließ er seine Gedanken ihre eigenen Wege gehen, bis er schließlich ein geeignetes Opfer fand.
Die junge Frau ahnte nicht einmal die tödliche Gefahr, die von Alex ausging. Sie sah lediglich einen attraktiven Mann vor sich, der sie seit einiger Zeit in dem kleinen Bistro beobachtete. Seine Augen hatte Alex – wie üblich – hinter einer Sonnenbrille verborgen. Er lächelte sie an. Seine Hände klammerten sich um eine Tasse Cappuccino, die er sich zur Tarnung bestellt hatte – und zum Händewärmen.
Die junge Frau hatte einen selbstbewußten Eindruck gemacht, und Alex hatte sich nicht getäuscht. Langsam stand sie auf und kam auf ihn zu. Sie war groß, bestimmt so groß wie er. Ihre kurzen braunen Haare waren modern geschnitten, und sie trug einen kleinen Diamanten im linken Nasenflügel. Alex bemerkte ihre auffallend hellen Augen.
» Du hast sicher nichts dagegen, wenn ich mich zu dir setze « , begann sie und überraschte Alex mit einer kräftigen, fast maskulinen Stimme.
Alex schüttelte
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