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Ex

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Titel: Ex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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beweist, daß der Yeti existiert.«
    Nach einem weiteren großen Schluck sah er Joanna an.
    »Wir tun gerne so, als wären unsere Theorien das Ergebnis unserer Beobachtung, aber das ist nicht ganz richtig. Einstein sagte, in Wirklichkeit ist es die Theorie, die unsere Beobachtung lenkt. Was tun wir also wirklich, wir Wissenschaftler? Hauen wir Stück für Stück von einem Felsbrocken weg, bis wir ein uraltes Fossil der Wahrheit darin entdecken? Oder meißeln wir ihn uns zurecht wie ein Bildhauer? Ist die Figur, die am Ende dabei herauskommt, schon immer in diesem Stein eingeschlossen gewesen, oder entspringt sie unserer Fantasie?«
    Er legte den Kopf in den Nacken und trank seinen Whisky aus, dann schaute er versonnen in das leere Glas.
    »Und würde es überhaupt einen Unterschied machen?«
    Während er Blickkontakt mit dem Barkeeper aufnahm, um sich nachschenken zu lassen, fragte er Joanna: »Wie steht’s mit dir – noch einen?«
    »Nein, danke.«
    Sie wartete, während er einen Doppelten bestellte, dann meinte sie: »Sag mir eins, Roger… Ich habe nie verstanden, warum du dich überhaupt auf all das eingelassen hast. Und warum du damit einverstanden warst, daß ich deinen Namen erwähne.«
    Nachdenklich nippte er an seinem Glas.
    »In diesem Jahrhundert haben die Wissenschaftler eine interessante Erfahrung gemacht. Wir sind angetreten als die Meister der Vernunft und der Logik. Wir dachten, wenn wir nur gründlich genug arbeiteten und alles genau und sorgfältig genug beobachteten und berechneten, würde die Natur am Ende ihre innersten Geheimnisse preisgeben müssen. Und diese mußten logisch und vernünftig sein. Und absolut sinnvoll, weil das Universum, wie wir glaubten, sinnvoll war. Alles, was diesem Glauben widersprach, wurde als reiner Aberglaube abgetan. Tja, und da fingen die Probleme an. Je mehr wir mit unserer logischen und rationalen Vorgehensweise über die Natur erfuhren, desto mehr mußten wir unsere Vorstellung von einer sinnvollen Ordnung der Natur in Zweifel ziehen. Der Gedanke, daß wir die Wahrheit ergründen und herausfinden könnten, warum etwas so und so ist, steht in krassem Widerspruch zu sämtlichen wissenschaftlichen Erkenntnissen, von denen es inzwischen ja eine ganze Menge gibt. Nicht, daß wir nicht sehen könnten, was passiert. Wir können mit außerordentlicher Präzision Beobachtungen anstellen und Messungen vornehmen – so genau, daß man die Entfernung zwischen New York und Los Angeles buchstäblich bis auf Haaresbreite berechnen kann. Dieses Beispiel hat Dick Feynman gern benutzt. Er hat auch mehrmals gesagt, daß es in der Natur keine sinnvolle Ordnung gibt. Obwohl wir wissen, wie sie sich verhält, und ihr Verhalten zuverlässig genug voraussagen können, um Gebrauch davon zu machen und ein paar recht imposante Dinge damit anzustellen, haben wir keine Ahnung, warum sie sich so verhält. Wir finden keinen Sinn darin. Wir wissen nur, wenn wir dieses machen, passiert jenes. Aber die Vorstellung, daß es einen logischen Grund dafür gibt, erweist sich als der größte Aberglaube überhaupt. Tatsächlich sieht es mehr und mehr danach aus, als wäre es nur ein kindisches, emotionales Bedürfnis, das uns an dem Glauben festhalten läßt, unsere Welt sei geordnet, sinnvoll und ein sicherer Ort.«
    Joanna dachte eine Weile nach, dann meinte sie: »Ich nehme an, daß Sam deshalb sagt, alle Menschen seien abergläubisch.«
    Roger lächelte gequält. »Er hat recht. Wenn wir die Finger überkreuzen oder auf Holz klopfen, sehnen wir uns danach, alles berech-nen zu können und Ordnung und klare Spielregeln zu haben. Die Wissenschaftler glaubten lange Zeit, daß unsere Welt so beschaffen sei, bis sie genauer hinsahen.«
    Nochmals trank er einen kräftigen Schluck. Joanna bemerkte, daß sein Glas – es war jetzt das dritte – schon wieder fast leer war. Seine Gedankengänge schienen immer noch völlig klar zu sein, nur seine Aussprache wurde allmählich etwas undeutlich.
    »Was also sind die Wissenschaftler?« fragte er mit einem gewissen Pathos. »Bloße Vermesser? Erbsenzähler, Schreiber, Buchhalter? Leute, die messen und aufzeichnen – mit genialen Methoden, wie man zugeben muß –, aber auch nicht mehr?«
    Er kippte den letzten Rest Whisky hinunter und stellte das Glas mit einem lauteren Knall, als nötig gewesen wäre, auf der Theke ab.
    »Ich denke«, meinte er, während er Joanna von Kopf bis Fuß betrachtete, »ich denke, daß ich aus diesem Grund mitgemacht habe. Um

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