Ex
mit einer angeblichen Heldentat, bei der er ein entlaufenes Pferd eingefangen hat, das er selbst losgebunden hatte. Jahre später hat er mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit den einzigen noch lebenden Augenzeugen ermordet. Zuvor hatte er jedoch Lafayette überreden können, ihn mit nach Frankreich zu nehmen, wo er eine Adlige heiratete, die eng mit Marie-Antoinette befreundet war. Gleichzeitig hat er sich mit allen möglichen Schurkereien die Zeit vertrieben. Trotzdem starb er als reicher und offenbar sehr glücklicher Mann erst im hohen Alter. Was wieder einmal beweist«, jetzt lachte sie noch einmal herzlich auf, »daß es – wie wir ja alle wissen – keine Gerechtigkeit auf Erden gibt.«
Während sie erzählte, hatte Sam sie genau beobachtet. Sie sprudelte förmlich über in ihrer unschuldigen Begeisterung, eine ganz offensichtlich verwöhnte und privilegierte junge Frau, deren Charme aber niemand widerstehen konnte. Etwas an ihrer Art verriet ihm, daß sie ein herrliches Leben führte und gegen Schmerz, Elend und Gemeinheit stets gefeit sein würde. Diese hinreißende Frau würde alles überstehen, denn das Glück schien ihr einfach in die Wiege gelegt worden zu sein.
»Wissen Sie noch, wann Sie zuerst auf Adam Wyatt gestoßen sind?« fragte er sie nun.
Mit leichtem Stirnrunzeln überlegte sie. »Nein, daran kann ich mich jetzt nicht mehr genau erinnern. Wahrscheinlich ist er irgendwo in einer Dorfgeschichte meiner Heimatregion einmal erwähnt worden, ich bin im Hudson Valley geboren.« Dann strahlte sie wieder übers ganze Gesicht. »Das Erstaunliche daran ist, er ist einer von Ralphs Vorfahren mütterlicherseits. Es war buchstäblich Adam, der uns zusammengeführt hat.«
Dabei faßte sie nach Ralphs Hand, und Sam fiel auf, wie unbefangen und spontan diese Geste war. Die beiden sahen aus wie ein sehr verliebtes Paar.
»Meine Eltern leben noch immer dort, und ich bin oft und gern bei ihnen zu Besuch. Ralph hatte in der Nähe ein Häuschen gemietet, aber wir haben uns erst bei einem morgendlichen Ausritt kennengelernt, und zwar buchstäblich an Adams Grab auf einem kleinen Friedhof. Ich wollte es mir aus Recherchegründen ansehen. Ralph hingegen war neugierig, wo denn sein berühmter Ahnherr begraben lag…«
»Entschuldigung«, unterbrach Sam sie. »Dort haben Sie sich also kennengelernt? Würden Sie mir sagen, wann das war?«
Ralph lächelte und betrachtete seine Frau mit unverhohlener Bewunderung. »Genau vor zwölf Monaten und drei Tagen«, antwortete er. »Aber warum wollen Sie das wissen?«
Inzwischen hatte sich sein anfängliches Mißtrauen Sam gegenüber verflüchtigt, und er wirkte entspannt. Doch auch wenn ihn Sams Fragen nicht mehr beunruhigten, weckten sie doch seine Neugier.
»Ich… na ja, das kam mir nur so in den Sinn«, meinte Sam stockend. »Das war dann also…« Schnell überschlug er im Kopf die einzelnen Daten und vergewisserte sich, daß sie im gleichen Zeitrahmen rechneten. Ja, für sie war heute das gleiche Datum wie für ihn. Also hatte diese Joanna Cross Ralph Cazaubon genau ein Jahr früher kennengelernt, als seine Joanna Ralph auf dem Friedhof begegnet war.
»Jedenfalls war dieser Zufall, daß wir beide zum gleichen Zeitpunkt auf diesem winzigen Friedhof nach dem gleichen Grab suchten, so außergewöhnlich…« Ihre Geste zeigte, daß sich alles übrige wohl von selbst verstand. »Na, irgendwie schien es das Schicksal so gewollt zu haben.«
»Und dann haben Sie dieses Buch geschrieben«, soufflierte Sam.
»Ich schrieb dieses Buch, während der Urururururenkel meines Helden die Tippfehler korrigierte und dafür sorgte, daß ich nicht schlechter als unbedingt notwendig über seine Familie schrieb.« Liebevoll drückte sie Ralph die Hand.
»Haben Sie schon einmal etwas veröffentlicht?« fragte Sam.
»Um Himmels willen, nein. Ich habe bisher in einer Maklerfirma gearbeitet, ein todlangweiliger Job. Aber ich hatte immer davon geträumt Schriftstellerin zu werden, mir hat nur bisher das Selbstvertrauen gefehlt, es einfach zu versuchen. Doch jetzt hoffe ich, daß ich mich als Schriftstellerin etablieren kann. Ich habe schon einige Ideen für andere Biographien, und auch ein Roman schwebt mir irgendwann einmal vor.«
»Aber jetzt, Dr. Towne«, meldete sich Ralph zu Wort, »müssen Sie endlich damit herausrücken, was hinter all Ihren Fragen steckt. Forschen Sie vielleicht selbst über Adam? Oder sind Sie bei ihren parapsychologischen Untersuchungen auf seinen Namen gestoßen?
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