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Ex

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Titel: Ex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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worüber man nun mehr wissen wollte. Für dieses seltene Talent bewunderte ihn Joanna. Trotzdem ärgerte sie die hellseherische Attitüde dieses Mannes, und es fiel ihr schwer, stillzusitzen und zu schweigen, bis er seine Überlegungen zu Ende gebracht hatte.
    »Recherchieren Sie ein bißchen«, meinte er schließlich. »Machen Sie mir bis nächste Woche ein Expose. Dann sehen wir weiter.«
     
    Der Apparat hing an der Wand eines kleinen Raumes im Labortrakt. Er ähnelte einem riesigen Flipperautomaten  – was er gewissermaßen auch war, wie Sam erklärte.
    »Da drin sind neuntausend Styroporbälle.« Er zeigte auf einen Behälter ganz oben. »Die fallen einer nach dem anderen in die Mitte dieser ersten Stiftreihe. Und nun sehen Sie…«
    Er schaltete an. Bälle fielen und hüpften durch etwa zwanzig Reihen Plastikstifte hindurch, bis sie schließlich unten in verschiedenen Sammelkörben landeten.
    »Die Stifte sind versetzt angeordnet – wie die Sitze im Kino, wo man immer zwischen den zwei Köpfen seiner Vordermänner durchschauen kann. Sie sehen, daß jeder Ball in jeder Reihe einen Stift berührt, dann weiterhüpft und in der nächsten Reihe wieder auf einen Stift trifft. Je tiefer er kommt, desto weiter bewegt er sich zum Rand. Trotzdem kann man davon ausgehen, daß die meisten mehr oder weniger in der Mitte landen und es nur wenige bis ganz nach außen schaffen. Unten in den Sammelkörben ergibt die Ballverteilung also eine Gaußsche Kurve…«
    »Ähm…?«
    »Eine Glocke – die Kurve steigt beidseitig an, in der Mitte haben wir eine deutliche Häufung. Das übliche Muster, wir nennen es Normalverteilung. In dem Experiment wollen wir nun die Bälle dazu bringen, gehäuft links beziehungsweise rechts zu landen, der Scheitelpunkt soll sich also auf die eine oder andere Seite verschieben.«
    »Und das allein durch Willenskraft?«
    »Ja, sicher. Man sitzt hier«, Sam Towne deutete auf ein Sofa, das etwa zweieinhalb Meter von dem Apparat entfernt stand, »beobachtet, wie die Bälle hinunterhüpfen, und lenkt sie kraft seiner Gedanken in die eine oder andere Richtung.«
    »Und das funktioniert?«
    Ihr ungläubiger Tonfall ließ ihn schmunzeln.
    »Nach mehreren Durchläufen liegt die Wahrscheinlichkeit, daß die Abweichungen nach links oder rechts sich nicht dem Zufall verdanken, inzwischen bei einigen Millionen zu eins. Angesichts dieser Quote müssen wir sagen, ja. es funktioniert.«
    »Aber wie?«
    »Das wissen wir nicht – noch nicht. Doch kommen Sie, ich zeige Ihnen noch mehr.«
    Sie setzten den Rundgang durch das Labor fort. Es war in mehreren Tiefparterre-Räumen untergebracht, die durch den Umzug der Ingenieurwissenschaftlichen Fakultät frei geworden waren. Als nächstes bekam Joanna eine Art Uhr zu sehen, bei der die Ziffern durch Lämpchen ersetzt waren, die unregelmäßig aufleuchteten. Ziel des Experiments war es, sie durch gedankliche Steuerung im Uhrzeigersinn oder entgegen dem Uhrzeigersinn aufleuchten zu lassen.
    Computer spuckten mittels Zufallsgenerator Zahlen aus, und Versuchspersonen sollten diese durch Willenskraft in aufsteigende oder absteigende Zahlenreihen verwandeln. Eine ebenfalls von einem Zufallsgenerator gesteuerte Wasserfontäne sollte je nach dem Willen der Versuchsperson höher oder niedriger sprudeln, ein Pendel allein durch gedankliche Impulse zum Schwingen gebracht werden. Es gab noch andere einfallsreiche Versuchseinrichtungen zum selben Themenkomplex, unter anderem einen Fernsehbildschirm mit zwei sich überlappenden Bildern. Der Zuschauer sollte sich so stark auf eines davon konzentrieren, bis das andere völlig vom Bildschirm verschwand.
    »Natürlich erzielen wir diese Ergebnisse nicht in der ersten Sitzung«, räumte Sam ein. »Unsere Testpersonen müssen Wochen oder auch Monate daran arbeiten. Entscheidend ist die gehäuft auftretende kleine, aber kontinuierliche Abweichung von der Norm – und diese wird größer, je länger man daran arbeitet.«
    Dann stellte er ihr die vier Vollzeit-Mitarbeiter seines Teams vor, die an diesem Vormittag anwesend waren: der jüngste war sein Assistent Pete Daniels, die älteste die Labor-Managerin Peggy O’Donovan, eine Experimental-Psychologin. Sie trug ihr dichtes graues Haar zu einem Knoten zusammengesteckt und einen farbenfrohen Kaftan über dem fülligen Körper. Joanna war sofort von ihr eingenommen, von ihrem Lächeln und der Aura der Ruhe, die sie verbreitete – sie mußte in jedweder Krise eine unschätzbare Gabe sein. Die

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