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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Seite, mit dem Kissen den Raum zwischen Schulter und Schläfe ausfüllend.
    Was wohl jetzt Ilse treibt? Großartig sah sie aus, wie sie auf dem Bahnsteig stand und zu ihm herauflachte, den breiten Mund mit den schönen Zähnen halb offen, in dem Frühjahrskostüm, das sie heute zum erstenmal trug. Eigentlich sind dieTiroler Hüte, wie die Frauen sie jetzt aufhaben, eine ungewöhnlich dumme Mode. Aber Ilse steht auch dieses dumme Zeug. An ihr gefällt ihm alles. Merkwürdig, daß man noch nach Jahren so unkritisch verliebt sein kann. Er spürt ungeheure Begier, neben ihr zu liegen, ihre weiche, glatte Haut zu streicheln, ihren kleinen Busen. Sie braucht Geld, viel Geld. Sie hat ihre Lebensführung trotz der gedrückten Pariser Verhältnisse kaum verändert, sie denkt nicht daran, sich einzuschränken, sie verlangt Geld von ihm mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie seinerzeit in Berlin, als er noch hochbezahlter Redakteur der »Preußischen Post« war. Sie wäre nicht Ilse und er würde sie weniger lieben, wenn sie das nicht täte. Sie hat das Recht, das Geld zu verlangen, das sie braucht, sie ist es wert, es ist Gunst und Gnade, daß sie es gerade von ihm verlangt, sie könnte es von andern reichlicher haben.
    Er sucht sich vorzustellen, wo sie jetzt ist, mit wem, ob sie sitzt, steht, geht, lacht, schwatzt, ißt, trinkt. Sie flirtet gern und viel, sie bevorzugt gutaussehende Männer, sie lacht sie an, ihr ganzes, liebenswertes, aufreizendes, rosigweißes, slawisches Gesicht lacht dann. Er weiß nicht, wie weit sie mit diesen gutaussehenden Männern geht, er will es nicht wissen. Es kratzt ihn, wenn er sich vorstellt, welcher Art die Männer sein können, mit denen sie jetzt zusammen ist. Aber das Bewußtsein, daß sie, die schöne, elegante, reiche Ilse – damals war sie reich –, gerade ihn geheiratet hat, ist eine heilsame Salbe für dieses Kratzen. Gut, manchmal verulkt sie ihn; aber wenn es darauf ankommt, bekennt sie sich zu ihm, das weiß er.
    Er strampelt auch das Fußende der Decke frei und wickelt sich hinein. Ach, wenn er mehr Geld für Ilse hätte. Es würde ihm Spaß machen, ihr ein dickes Konto anzulegen. Es ist ein Wunder, was alles sie aus dem Geld zaubert, das er ihr gibt. Ganz tief in seinem Innern und ohne daß er ihn je Wort werden ließe, schläft der Verdacht, dieses Kleid, jenes Schmuckstück Ilses könnte von anderer Gelde stammen.
    Heute aber, bevor dieser Verdacht sich rührt, ist »Das« wieder da. »Das« ist eine Verlockung, die Friedrich Benjaminbeflissen im Nebel hält, die er keine bestimmte Gestalt annehmen läßt, »Das« ist eine ziemlich üppige Verdienstmöglichkeit. Ein Finanzmann hat ihm, zweifellos im Auftrag anderer, Geld angeboten, eine stattliche Summe, für den Fall, daß er die »Plattform«, die Zeitschrift, die er jetzt »in loser Folge« erscheinen läßt, ausbauen wolle. Von Bindungen war nicht die Rede. Doch auch ohne daß viel geredet worden wäre, weiß Benjamin, daß hinter dem großzügigen Geldgeber Leute stehen, die gewisse Rüstungsinteressen haben. Diese Leute wünschen, daß ein gewandter Journalist von Geltung in einem ernsthaften Organ die deutschen Rüstungen in ihrem ganzen Umfang darstelle, auf daß die öffentliche Meinung anderer Länder wirksam vorbereitet sei, wenn man dort Gegenrüstungen betreibe. Er, Friedrich Benjamin, ist absoluter Pazifist, überzeugter Gegner jeder Rüstung, von wem immer sie betrieben wird. Er ist also ein Feind dieser Rüstungsleute. Vorläufig aber, für die nächste Etappe seines Weges, die freilich kurz sein mag, sind seine Interessen die gleichen wie die der andern, so entgegengesetzt die späteren Ziele sein mögen.
    Muß er, wenn verdächtige Leute ihm Geld bieten, seine Zeitschrift auszubauen, und wenn sie keine Konzessionen dafür fordern, dieses Geld zurückweisen? Darf man sich, wenn man die rechte Gesinnung hat, für seine Leistung nicht entsprechend bezahlen lassen, nur weil derjenige, der zahlt, diese Gesinnung nicht hat? Wenn man genau hinsieht, dann darf man das nicht. Er weiß, nähme er an, dann würden seine Gegner diese Subvention dahin mißdeuten, daß seine Meinung käuflich sei, und durch solche Behauptungen seine Artikel um ihren Wert und ihre Wirkung bringen. Er denkt also nicht daran, anzunehmen. Aber daß die Möglichkeit da ist, daß Geld in greifbarer Nähe ist und er nur ja zu sagen braucht, daß »Das« da ist, von ihm abgelehnt, nebelhaft, aber doch immer da, ist angenehm zu wissen. Und

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