Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
das nächstliegende Dupont-Restaurant.
    Da saßen also die drei, Sepp Trautwein ungelenk und vielwortig, Oskar Tschernigg dreckig und speckig, Harry Meisel prinzlich, wie aus dem Ei gepellt. Harry, der einzige, der was davon verstand, stellte das Essen zusammen und ließ die Kellner springen, Tschernigg mampfte achtlos und gierig die Speisen in sich hinein, und Trautwein machte es nicht viel anders. Dabei schwatzte man von dem und jenem.
    Trautwein wartete ungeduldig darauf, wann endlich man anfangen werde, von dem zu reden, was ihn anfüllte, von der Schweizer Note. Allein die beiden fingen nicht an. Schließlich hielt er es nicht mehr aus und stieß selber vor, auf seine täppische, ungestüme Manier: »Na, was sagt ihr jetzt? Hab ich’s nicht gewußt, daß wir es ihnen geben werden?« Sie hörten, Tschernigg und Harry, einen Augenblick zu essen auf, schauten ihn an. »Wovon reden Sie eigentlich, Professor?« fragte Tschernigg.
    Es stellte sich heraus, daß die beiden von der Schweizer Note weder gelesen noch gehört hatten.
    Eine halbe Minute war Trautwein wie vor den Kopf geschlagen. Die Kunde des Ereignisses, von dem er glaubte, es müsse die Welt bewegen, war also nicht einmal ins Asyl gedrungen; nicht einmal jene, die es doch mehr anging als alle andern, nicht einmal die Emigranten, wußten darum. Aber bald fing er sich wieder ein. Um so besser: jetzt konnte er Freunden, die noch nichts davon hatten läuten hören, als erster von dem großen Erfolg berichten.
    Eifrig erzählte er, naiv, stolz, und während er sprach, wuchs seine Sicherheit, daß die Angelegenheit Benjamin binnen kurzem zu einem günstigen Ende kommen müsse. Es blieben, setzte er auseinander, nur zwei Möglichkeiten: entweder lieferten die Nazi den Geraubten ohne weiteres zurück, oder aber sie unterwarfen sich einem Schiedsgerichtsverfahren, in dem sie unter allen Umständen unterliegen mußten.
    Trautwein redete, begeisterte sich, verlangte Begeisterung. Harry aß langsam, gesittet und hörte aufmerksam und höflich zu. Tschernigg schlang, mampfte, kaute, schmatzte; doch auch er hörte zu, und manchmal richtete er das schwammige, fahle, schlechtrasierte Gesicht gegen Trautwein, immer fressend, die vorquellenden Augen unter der mächtigen Stirn schauten sanft und ironisch, die Glatze war mit kleinen Schweißperlen bedeckt. Beide unterbrachen Trautwein nicht.
    Aber als er endlich mit der vielwortigen Darstellung seiner Freude und Zuversicht fertig war, zeigte es sich, daß er beidem Freund nicht den Erfolg hatte wie bei der Frau, die ihn liebte. Tschernigg zündete sich umständlich eine Zigarre an. Er rückte den Stuhl zurück, schlug ein Bein über das andere, bequem und arrogant saß er, und dann, da Sepp offenbar auf eine Reaktion wartete, schob er die Antwort dem andern zu: »Na, Harry, was meinen Sie?« Harry lächelte höflich. »Als wir Kinder waren«, erzählte er, »hatten wir ein Spiel, das ging so. Wir setzten uns an einen großen Tisch und überdeckten ihn mit vielerlei Papieren, Bleistiften, Tintenfässern. Wir stellten Pappschachteln als Telefone auf, wir klingelten mit diesen fingierten Telefonen, wir schrieben, telefonierten, liefen als Boten herein und hinaus und hatten es schrecklich wichtig. Wir spielten Büro. So spielen heute einige Emigranten Politik. Es macht ihnen offenbar Spaß, es hilft ihnen über ihre Leere hinweg.« Er zuckte die Achseln.
    Tschernigg nickte mehrmals mit dem großen Kopf, beifällig. Dann, mit seiner sanften, hohen Stimme, so leise, daß Trautwein in dem lärmvollen Raum Mühe hatte, ihn zu verstehen, ergänzte er die Rede des Freundes: »Was mich anlangt, Professor, so finde ich, daß Sie für dieses Bürospiel zu schade sind. Sie sollten endlich zu dem zurückkehren, was Sie können, zu Ihrer Musik. Überlassen Sie die Politik denen, die dafür da sind, den Unbegabten. Machen Sie sich wieder an Ihre ›Perser‹, Professor. Sie haben uns dankenswerterweise aus dem Mehrverdienst, den Ihr Kampf für Friedrich Benjamin abgeworfen hat, ein reichliches, warmes Essen spendiert und mehrere Zigarren. Das ist ein positives Ergebnis Ihres Kampfes. Lassen Sie es dabei bewenden. Bemühen Sie sich nicht weiter.«
    Sepp Trautwein war voll von Enttäuschung. Während der Worte Tscherniggs war ihm klargeworden, daß er auch Anna nicht hatte überzeugen können. Tschernigg nahm seinen Unmut wahr, nicht ohne Bedauern. Er neigte sich vor, mit dem Geruch der Zigarre drang heftig der Geruch seines

Weitere Kostenlose Bücher