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Existenz

Existenz

Titel: Existenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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geben, sich ans Halbdunkel zu gewöhnen, aber das hätte er sich sparen können. Seine rechtes Auge – die KI – passte Helligkeit und Kontrast schneller an, als es einer natürlichen Pupille möglich gewesen wäre.
    Der Raum war breit und mit vornehmen Möbeln eingerichtet, die sich jedem Benutzer anpassten. Die programmierbaren Vorhänge waren auf beruhigende Muster eingestellt, deren langsames Wogen Bin an einen ruhig fließenden Bach erinnerten. Das Fenster ganz hinten war geöffnet, und dadurch sah Bin den Rest von Newer Newport: mehr als ein Hektar weiter, glatter, mehrstöckiger Luxus, fest verankert über dem Ort, an dem einst der Palast der Könige von Pulupau gestanden hatte.
    Etwas weiter entfernt folgten einige auf dicken Stelzen ruhende Siedlungen – jede in einem anderen Stil errichtet – dem Bogen eines überfluteten Atolls. Thielburg, Patria, Galt’s Gulch und einige andere, mit Namen, die Bin kaum behalten konnte. Sie bestanden größtenteils aus Edelstahl und Glas, und in einer von ihnen kümmerte man sich um alte Aristokraten. Man umgab sie mit allem Komfort und 3D-Erfahrungen, bevor man sie in flüssigem Stickstoff einfror für eine Reise in die Zukunft, damit sie in hundert Jahren wiedererweckt, von ihren Leiden geheilt oder vielleicht sogar in einem technologischen Paradies verjüngt werden konnten.
    Eine weitere künstliche Insel, mit einer Polycarbonano-Architektur, die an Palmenholz und Strohdächer erinnerte, stand der alten königlichen Familie und einigen echten Pulupauesen zur Verfügung. Zweifellos eine legalistische Absicherung. Für den Fall, dass irgendwelche Nationen oder Konsortien die Unabhängigkeit dieses Archipels des Reichtums infrage stellten.
    Inselstädte . Natürlich. Bin hatte von solchen Orten gehört. Auf der Messlatte des menschlichen Wohlstands lagen diese Projekte, von seinem armseligen Küstenheim in der schmutzigen Huangpu-Mündung aus gesehen, genau auf der anderen Seite. Hier und an einigen Dutzend anderen Orten hatten die reichsten Familien der Welt kleine Nationen aufgekauft, die sie jetzt ihr Eigen nannten. Auf diese Weise entkamen sie allen Verpflichtungen (insbesondere der, Steuern zu zahlen), die sie den kontinentalen Staaten mit ihren brodelnden populistischen Massen schuldeten. So groß die Unterschiede zwischen Küstenheimen und Inselstädten auch sein mochten, Bin erkannte einige Gemeinsamkeiten: Anpassung; das Beste aus dem steigenden Meeresspiegel machen; die Katastrophe in einen Vorteil verwandeln.
    Drei technische Spezialisten – eine anmutige Philippinerin, die nie ihre Immersionsbrille abnahm; ein Insulaner, vielleicht ein geborener Pulupauaner, der immer wieder sein interaktives Kruzifix befingerte; und ein älterer chinesischer Gentleman, der im ruhigen Ton eines Gelehrten sprach – beobachteten, wie Peng Xiang Bin und Nguyen Ky den Weltstein vorsichtig in sein von Instrumenten und KIlektronischen Displays umgebenes Gerüst setzten.
    Das eiförmige Objekt hatte bereits auf Bins Berührung zu reagieren begonnen. Als Hüter des Weltsteins konnte nur er den Gegenstand dazu bringen, glänzende Bilder zu formen: eine ganze Welt oder gar ein ganzes Universum im Innern einer ovoiden Kapsel, weniger als einen halben Meter lang. Was auch immer der Grund dafür sein mochte, Bin war dankbar für die Ehre, für die daraus resultierende Anstellung und für die Chance, an Dingen weit über seiner normalen Position im Leben teilzunehmen. Aber er vermisste Mei Ling und seinen kleinen Sohn.
    Die inzwischen vertraute Entität »Kurier der Vorsicht« lauerte – so sah es aus – dicht unter der zerkratzten Oberfläche des Objekts, inmitten von wirbelnden Wolken. Sein Band-Auge starrte nach draußen und wies eine gewisse Ähnlichkeit mit Anna Arroyos Brille auf. Der rautenförmige Mund des Wesens schürzte die vier Lippen, was Unbehagen oder gar Missbilligung zum Ausdruck zu bringen schien.
    Am einen Ende des Objekts befestigte Bin behutsam einen improvisierten Apparat, der einige Oberflächenschäden kompensierte und eine teilweise akustische Verbindung ermöglichte. Natürlich hatte Bin keine Ahnung, wie der Apparat – und alles andere in dem Raum – funktionierte. Trotzdem versuchte er, alle Prozeduren zu lernen, damit ihn die anderen mehr für einen Kollegen hielten … und weniger für etwas, mit dem man experimentierte.
    Der Skepsis in ihren Gesichtern war zu entnehmen, dass dies noch eine Weile dauern würde.
    »Fassen wir es noch einmal zusammen«,

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