Existenz
still!«, rief er, schwang den Ranzen mit aller Kraft …
… und schmetterte ihn gegen die Innenfläche des linken Schlangenauges, das mit einem Klirren und Knirschen nachgab. Mit einem Schrei wiederholte er den Vorgang beim rechten Auge – er wollte, wenn er sich draußen befand, nicht von Laserstrahlen getroffen werden. Um den Weltstein machte er sich keine Sorgen; immerhin hatte er eine lange Reise durchs All und die Kollision mit einem Berggletscher überstanden.
Gut mitgedacht!
Und jetzt …
Er musste nicht extra aufgefordert werden. Nicht von einigen »Smartmob«-Amateuren, die bequem zu Hause saßen, oder in irgendwelchen Büros irgendwo auf der Welt, ausgestattet mit der besten Immersions-Software und -Hardware, die man für Geld kaufen konnte. Ihre Hilfe war willkommen, solange sie die Klappe hielten. Während die Roboterschlange zuckte und ihr Maul zu schließen versuchte, zog sich Bin nach vorn und kletterte wie ein Affe, bis er auf der unteren Reihe metallener Zähne stand.
Dann nahm er erneut seine ganze Kraft zusammen und sprang zur Boje, als hinge sein Leben davon ab, was durchaus der Fall sein mochte. Er flog durch die Luft …
… und fiel dicht vor der Boje ins Wasser. Der schwere Ranzen in der einen Hand zog ihn sofort nach unten. Die andere Hand streckte er nach der Boje aus, suchte an ihr nach Halt …
… fand jedoch keinen und sank, belastet durch den Inhalt des Ranzens, an der Boje vorbei in die Tiefe.
Aber Bin blieb ruhig, und er ließ auch nicht den Weltstein los, nicht ein mal um sein Leben zu retten. Von Panik und dergleichen keine Spur, ganz im Gegenteil; er fühlte sich sogar recht gut. Zurück in seinem Element. Zurück bei seiner Arbeit. Er hatte das Gefühl, wieder unterwegs zu sein, um den Unrat früherer Epochen einzusammeln, in einem Meer nach Verwertbarem zu suchen, das »intelligentes Leben« in eine riesige Müllhalde verwandelt hatte.
Seine freie Hand ertastete schließlich die Kette, mit der die Boje am Berghang verankert war. Er berührte sie auch mit den Zehen, während sich in der Nähe die Roboterschlange hin und her wand, geistig und körperlich verkrüppelt, aber noch immer sehr gefährlich.
Vielleicht, dachte er, als er nach oben zu klettern begann, enthielt seine Lunge genug Luft. Vielleicht konnte er es schaffen.
Und wenn er es schaffte … Bei der Boje angelangt fand er vielleicht eine Möglichkeit, der zornigen Maschine zu entgehen.
Und danach? Vielleicht trafen seine neuen Freunde vom »Smartmob« – oder die chinesische Marine – ein, bevor die geheime Gruppe erschien, die die Schlange geschickt hatte. Bevor die Sonne ihn röstete. Oder bevor er verdurstete oder Haien zum Opfer fiel.
Und dann?
Bin kletterte unbeholfen die Kette hoch und erinnerte sich an etwas, das Paul Menelaua einmal in Newer Newport gesagt hatte, als das Wesen im Weltstein – der Kurier der Vorsicht – das berühmte Havanna-Artefakt als Werkzeug von Lügnern bezeichnet hatte.
»Wir müssen sie zusammenbringen!«
Ja. Die Außerirdischen miteinander konfrontieren, vor aller Augen. Während die ganze Welt zusah. Und diesmal würde Peng Xiang Bin an den Gesprächen teilnehmen!
Amüsiert von der eigenen Kühnheit – fast eine Unverschämtheit, dass sich jemand wie er so etwas vornahm! – kletterte Bin weiter nach oben.
Ja, genau. Das wird geschehen.
Halte nur noch etwas länger die Luft an.
Siebter Teil
Eine See von Plagen
Nach Jahrhunderten des Grübelns ging ein alter Traum der Menschheit in Erfüllung. Mit dem Eintreffen des Ersten Artefakts kam der Beweis für die Existenz von Zivilisationen, die viel älter sind als unsere. Aber anstatt Begeisterung auszulösen, ließ uns diese Entdeckung fast in eine Todesspirale stürzen. Ist es uns gelungen, der Falle zu entkommen? Sind wir inzwischen in Sicherheit?
War es die Große Debatte, bei der Pengs Weltstein gegen das Erste Artefakt antrat? Bei der die Manipulationen, Halbwahrheiten und Lügen beider Seiten ans Licht kamen?
Oder waren es die tapferen Helden der Marco Polo , die heimlich starteten und mit der Wüste des Alls fertigwerden mussten – außerdem mit Lasern, Raumminen und menschlichen Verrätern –, um weitere Kristalle zu bergen? Genug von den hinterhältigen Raum-Keimen, um sie zu sezieren, zu untersuchen und schließlich Antworten zu bekommen?
Oder war es eine überraschende Entdeckung, als die Marco Polo mit der Heimreise begann? Als Gennadi Gorosumow seltsame Trümmer im All entdeckte, ohne
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