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Existenz

Existenz

Titel: Existenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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Hände. »›Und der Herr sprach, siehe, es ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen, und dies ist der Anfang ihres Tuns; nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun.‹«
    »Wie bitte?«
    »Babel. Der Bau des Turms, der bis in den Himmel reichen sollte. Der Versuch schlug fehl, weil wir das Opfer bewusster Sabotage wurden: Die Menschen konnten sich nicht mehr verstehen, weil ein Fluch sie dazu zwang, verschiedene Sprachen zu sprechen. Die meisten Theologen haben die Babel-Geschichte so interpretiert wie Sie gerade, als ein Zeichen dafür, dass Gott zornig auf die Menschen war, wegen ihrer Selbstüberschätzung, ihrer Hybris.
    Aber wenn Sie aufmerksamer lesen, werden Sie feststellen, dass es gar keinen Zorn gibt! Nicht die Spur davon. Es fehlt jeder Hinweis darauf, dass jemand litt oder starb. Es kam nicht zu einem Massensterben wie in Sodom oder durch Noahs Flut, oder bei zahllosen anderen Beispielen von göttlichem Grimm. In Babel geschah nichts dergleichen! Sicher, unsere Pläne wurden durchkreuzt, und es kam zu einem heillosen Durcheinander. Aber sollte uns das für immer mattsetzen? Sollte es uns daran hindern, das zu erreichen, was wir erreichen können , wie aus der betreffenden Stelle eindeutig hervorgeht? Was uns vielleicht sogar zu erreichen bestimmt ist?
    Möglicherweise sollte die Verwirrung die Dinge einfach nur verzögern . Damit wir lernen, Hindernisse zu überwinden. Sind wir durch die Zerstreuung des Menschen nicht vielfältiger und fähiger geworden, mit schwierigen Herausforderungen fertigzuwerden? Hat sie uns nicht die Fähigkeit geben, alles aus vielen verschiedenen Perspektiven zu sehen? Denken Sie darüber nach, Miss Tor. Heute kann jemand mit einfacher KIware jeden anderen Menschen auf der Erde verstehen. In dieser unserer Generation hat sich der Kreis geschlossen. Die Sprache ist keine Barriere mehr. Und unser ›Turm‹ bedeckt den ganzen Globus.
    Denken Sie daran, was die Bibel sagt: Unser Potenzial hat keine Grenzen. Wir sind grundsätzlich fähig, alles zu bewerkstelligen. Wirklich alles. Was also soll uns jetzt aufhalten?«
    Tor starrte den Neurowissenschaftler an. Soll das ein Witz sein? Auf einer gewissen Ebene veralberte er sie, aber gleichzeitig meinte er dies alles sehr ernst.
    »Was haben alte Mythen mit der strittigen Frage zu tun? Mit dem Problem arroganten wissenschaftlichen Ehrgeizes?«
    »Die alten Geschichten zeigen, wie lange Menschen über dieses Problem nachgedacht haben! Ob es richtig ist, einige derselben Werkzeuge einzusetzen, die der Schöpfer benutzt hat, um uns zu erschaffen. Was könnte ein bedeutungsvolleres Anliegen sein?«
    »Na schön.« Tor nickte und seufzte innerlich. Wenn Sato bei den Kameraaufnahmen dumm wirken wollte, so hatte sie nichts dagegen. »Geben die meisten Legenden keine negative Antwort? Warnen sie nicht vor der Hybris?« Tor machte sich nicht die Mühe, den Begriff zu definieren. Ihr Publikum würde verstehen, was gemeint war. Und außerdem hatte es mit KIware Zugriff auf smarte Wörterbücher.
    »Ja«, pflichtete ihr Sato bei. »Während der langen Ära der Furcht, die sechs- bis zehntausend Jahre dauerte, gaben sich Priester und Könige alle Mühe, die Bauern in ihre Schranken zu weisen. Ehrgeiz wurde unterbunden! Kirchen nannten es sündig, den lokalen Herrscher – oder gar Gott! – infrage zu stellen. Sie haben den Turm von Babel erwähnt. Oder nehmen Sie Adam und Eva, die aus dem Paradies verstoßen wurden, weil sie eine Frucht vom Baum der Erkenntnis aßen.«
    »Oder Brahmas Fehler, die Maschine von Soo Song oder zahllose andere Geschichten, die zur Vorsicht mahnen.« Tor nickte. »Die Abkehrbewegung greift auf sie alle zurück und sagt große Probleme voraus, vermutlich einen weiteren Fall , wenn die Menschheit zu hoch greift. Deshalb überrascht es mich, dass Sie bei unserem Interview diesen Weg eingeschlagen haben, Doktor. Wollen Sie andeuten, dass Tradition und Heilige Schrift doch relevant sein könnten?«
    »Hm.« Sato überlegte kurz. »Sie scheinen sich auszukennen. Sind Sie mit dem ersten Buch Mose vertraut?«
    »Einigermaßen. Es ist ein kultureller Grundpfeiler.«
    »Dann sagen Sie mir, welcher Abschnitt der einzige ist – in der ganzen Bibel –, in dem Gott um einen Gefallen bittet.«
    Tor begriff, dass das Interview außer Kontrolle geriet. Es wurde nicht live in die Netze übertragen, was bedeutete, dass sie es später bearbeiten konnte. Dennoch

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