Existenz
Anweisung verschwinden ließ.
»Ich dachte, der Mensch hätte den Neandertaler verdrängt.«
»Das ist die vorherrschende Theorie. Die lange stabile Periode endete mit dem Beginn des Aurignacien, und zwar erstaunlich abrupt. In nur einigen Dutzend Generationen, nicht mehr als ein Augenblick, erweiterte sich der Werkzeugkasten unserer Vorfahren und enthielt plötzlich Angelhaken und Nähnadeln aus glänzenden Knochen, gut geformte Schaber, Äxte, Stichel, Netze, Seile und spezialisierte Messer, deren Herstellung mehrere Phasen erforderte.
Und es erschien plötzlich Kunst . Die Menschen schmückten sich mit Anhängern, Armbändern und Perlen. Sie malten wundervolle Höhlenbilder, führten Bestattungsrituale durch und schnitzten aufreizende Venus-Figuren. Innovation kam schneller voran. Und der Fortschritt betraf auch andere menschliche Eigenschaften. Es gibt klare Hinweise auf soziale Schichtung, Religion, Königtum, Sklaverei, Krieg …
Und auf einen Völkermord, dem die Neandertaler zum Opfer fielen.«
Der plötzliche Themenwechsel verwirrte Tor. Im einen Moment hatte Sato im engen, sechstausend Jahre umfassenden Kontext der jüdisch-christlichen Bibel gesprochen. Im nächsten wechselte er zur weitaus größeren Sphäre wissenschaftlicher Zeit und sann über den langsamen, schweren Aufstieg des Menschen aus der Dunkelheit nach. Aber es musste eine Schnittmenge geben, einen gemeinsamen Punkt. Und schließlich sah Tor, wohin dies führte.
»Sie glauben, es steht eine weitere Entwicklungsbeschleunigung bevor.«
Sato neigte leicht den Kopf.
»Glauben das nicht alle?«
Plötzlich verschwand das Spielerische aus der Stimme des Wissenschaftlers. Er klang nachdenklich, sogar besorgt.
»Die Frage besteht nicht darin, ob die Veränderung kommt, Miss Tor, sondern wie wir diesmal schlauer damit umgehen können. Die Frage lautet: Sind wir diesmal klug genug, damit fertigzuwerden?«
Scanalyse
Guten Tag. Ich bin Marcia Khatami und vertrete Martin Raimer, der auf Kuba eine heiße Story verfolgt. Viel Glück, Martin!
Heute kehren wir zu einem beliebten Thema zurück. Seit mehr als hundert Jahren lockt das SETI-Projekt – Search for Extra Terrestrial Intelligence , Suche nach außerirdischer Intelligenz – sowohl Radioastronomen als auch eifrige Befürworter an und erfüllt sie mit einem Enthusiasmus, der fast etwas Religiöses hat. Manchmal von Regierungen, reichen Schwärmern oder mit zahlreichen kleinen Spenden finanziert, verwendet SETI moderne Apparate, um den »kosmischen Heuhaufen« nach der einen glitzernden Nadel zu durchsuchen, die unser Leben verändern könnte, indem sie uns sagt, dass wir nicht allein sind.
SETI ist nicht ohne Kritik geblieben. Setzen wir unsere Debatte mit zwei Koryphäen der Superwissenschaft fort. Dr. Hannah Spearpath ist Direktorin des Projekts Golden Ear, das die Allen-, Donaldson- und Chang-SET I -Anlagen vereint. Willkommen zurück, Hannah.
Dr. Spearpath: Es ist mir ein Vergnügen, Marcia.
Marcia Khatami: Außerdem haben wir den unnachahmlich provokativen Rasta-Star der populärwissenschaftlichen Show Beherrsche dein Universum! bei uns. Er ist gerade von einer Tour mit seiner Sci-Reggae-Gruppe Blowing Cosmic Smoke zurückgekehrt. Willkommen, Professor Noozone.
Professor Noozone: Lobpreisungen für Jah und Wa’ppu, Marcia. Und jede Menge Respekt und ein großes Daumen-hoch für alle aktiven und passiven Zuschauer dort draußen!
Marcia Khatami: Doktoren, unser letztes Gespräch wurde recht hitzig. Es geht dabei nicht um das Lauschen nach Signalen von Außerirdischen, sondern ums Senden von Botschaften der Erde ins All. Um den »Hallo, wir sind hier!«-Ruf zu den Sternen.
Dr. Spearpath: Ja, und ich möchte darauf hinweisen, dass Golden Ear keine »Mitteilungen« in den Weltraum schickt. Unsere Antennen sind nicht fürs Senden ausgelegt. Das überlassen wir anderen.
Professor Noozone: Aber Hannah, aus Ihren Worten ging superklar Unterstützung für die Bösewichter hervor, die dieses unverantwortliche Verhalten betreiben, ohne es mit dem Volk oder ihren Wissenschaftsbrüdern zu besprechen. Das ist rhaatid! Es verstößt gegen eine grundlegende Regel, die vor langer Zeit von Ras Carl Sagan höchstpersönlichst festgelegt wurde, als er sprach, dass die Schwerarbeit des Erstkontakts von den überlegenen Völkern dort draußen geleistet werden sollte. Und Ras Carl sprach daselbst, dass junge Völker wie wir besser still zuhören sollten. Man muss erst gehen lernen, bevor man laufen
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