Exit Mosel
über zwölfhundert Kunden führt, hatte ich mir anders vorgestellt.« Sie wischte sich Krümel von der Bluse. »Zumindest hatte ich nicht dieses großmütterliche Wesen erwartet. Es hätte mich nicht gewundert, wenn die alte Dame eine Kittelschürze unter dem Regenmantel getragen hätte.«
Grabbe schaute irritiert auf das angebissene Brötchen in seiner Hand. »Stammt das von der Tafel?«
»Wäre das ein Problem?«, sagte Gabi.
»Nein, es schmeckt auch nicht so.«
»Du kannst also am Geschmack erkennen, ob ein Brötchen gekauft oder gespendet ist?«
»Ich wollte damit sagen, es schmeckt frisch.«
»Hast du was über Roth erfahren?«, fragte Walde unvermittelt.
»Mit dem Laden hatte er nichts zu tun. Roth hat ausschließlich Waren von den Märkten abgeholt. Morgen früh bin ich bei der Tour dabei, die er abgefahren hat.«
»Kisten schleppen?«
»Ich begleite zwei Herren.« Sie wandte sich an Grabbe. »Gibt es was von Edith Hippens?«
»Nein, bisher hat sie niemand gesehen, und ihr Handy hat sie wahrscheinlich ausgeschaltet.«
»Dann versuche es bitte weiter«, sagte Walde. »Ich fahre mit Gabi in die Sektfabrik zu Holbach.«
*
Von der Luxemburger Straße war Gabi mit dem Wagen ins Industriegebiet abgebogen. Auf den letzten paar hundert Metern konnte man zwischen den Hallen und Bürogebäuden immer wieder die hoch aufragenden Tanks der Sektfabrik erkennen. Als Erstes zündete sich Gabi auf dem Parkplatz eine Zigarette an. Walde blieb nichts anderes übrig, als sich die Tankkolosse aus der Nähe anzuschauen. Es waren insgesamt acht, die in der Höhe durchaus mit dem Glockenturm der Pauluskirche mithalten konnten.
Marmor und Glas bestimmten den Eingangsbereich des Verwaltungsgebäudes. Während die beiden in einem Besucherraum am Empfang warteten, betrachteten sie die Sektflaschen in den beleuchteten Vitrinen. Ein korpulenter Mann in Jeans und einem Pulli unter der dunklen Stoffjacke kam zur Tür herein. Er stellte sich als Konrad Holbach vor. Vorhin am Telefon hatte er vergeblich zu erfahren versucht, warum Walde ihn persönlich sprechen wollte.
»Um was geht es?« Dabei wies Holbach auf mit hellem Leder bezogene Stühle um einen Tisch, der aus einer dicken Glasplatte auf einer Stahlkonstruktion bestand.
Beim Hinsetzen spürte Walde den unangenehm kalten Bezug. »Es geht um den Tauchclub Mosel …«
»Und dafür kommen Sie hierher?«, unterbrach ihn Holbach. »Hätte das nicht bis nach Feierabend warten können? Wir sind heute ab sechzehn Uhr im Regattaverein.«
In der nun folgenden Stille fragte sich Walde, ob der Mann ernsthaft glaubte, die Polizei müsse auf ihre Freizeit verzichten, nur um einen für Zeugen genehmen Termin zu finden. Auch Gabi sagte nichts, während sie die Wölbungen des Bauches betrachtete, die sich unter dem engen Pulli des Mannes abzeichneten.
Holbach schien es nicht mehr auf seinem Stuhl auszuhalten. Er stand auf und öffnete eine der beiden Edelstahltüren des mannshohen Kühlschranks. »Darf ich Ihnen etwas anbieten? Wasser, Saft, Sekt?«
Gabi und Walde schauten auf ein penibel angeordnetes Sortiment aus kleinen Flaschen.
»Oder möchten Sie einen Kaffee oder Tee?«
»Ist da auch Apfelsaftschorle dabei?«, fragte Gabi.
»Haben wir. Und Sie?«
»Ein Wasser«, sagte Walde.
»Mit Kohlensäure, still oder Natur?« Holbach griff sich eine Handvoll Flaschen und stellte sie auf den Tisch, auf dem in der Mitte auf zwei Sets Gläser in Kreisform angeordnet waren. »Sie können sich wohl vorstellen, dass es nicht sehr angenehm ist, am Arbeitsplatz von der Polizei besucht zu werden.«
»Da kann ich Sie beruhigen. Wir haben uns an der Zentrale lediglich mit unseren Namen angemeldet.« Walde griff nach einem Flaschenöffner. Es hatte keinen Sinn, den Mann gegen sich aufzubringen. Sie brauchten seine Informationen. »Wie groß sind eigentlich die Tanks da draußen?«
Holbachs Miene hellte sich ein wenig auf. »Jeder fasst zwei Millionen Liter.«
»Ich habe acht gezählt. Dann wären das sechzehn Millionen Liter!«
»Das kommt hin.«
»Alles Sekt?«, fragte Gabi.
»So kann man es noch nicht nennen. Den stellen wir ja erst her.« Holbach lehnte sich im Stuhl zurück.
»Und was steckt da in den Tanks?«
»Grundwein, aus dem bei uns Schaumwein nach der Methode Charmat gewonnen wird.«
»Champagner?«
»Nein, das wäre Flaschengärung, eine ziemlich aufwendige Geschichte, da wird noch von Hand gerüttelt. Abgesehen von den rechtlichen Problemen wegen der Bezeichnung
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