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Exit to Eden

Exit to Eden

Titel: Exit to Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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rationale Teil von mir, jener rein professionelle Teil, versuchte ohne Unterlaß herauszufinden, was eigentlich mit uns beiden los war, warum ich so aus der Rolle fiel.
    Gut, er sieht tausendmal besser aus als auf den Bildern in der Akte. Die anfänglichen Überlegungen diesbezüglich kann man vergessen. Sein Haar ist dichter und macht seine Schädelform weicher. Er hat einen leicht grausamen Ausdruck, wenn er nicht lächelt, eine Härte, die er nicht vortäuscht. Im Gegenteil, er versucht, sie zu verbergen. Er mag seine eigene Härte nicht besonders. Er nimmt sie als gegeben hin. Okay. Das ist fein.
    Und blaue Augen, ja, unglaublich und unendlich schön bei Sonnenschein, Kerzenlicht, Neonlicht, egal ob er starrt, ob er nachdenklich oder ernst lächelt oder nicht. Und der Körper ist der Körper, den ein Mann haben sollte. Mehr gibt es nicht zu sagen.
    Ja, und nun nimm dazu die langen Finger, die schmalen Hände die gepflegten Fingernägel (sozusagen unbekannt unter Sklaven), die Körperhaltung, die tiefe Stimme und die Art und Weise, in der er fast alles tut, was ich ihm sage, und du hast Mister Macho mit unerschütterlicher Eleganz, den Typ mit dem eckigen Kinn am Feuer in der Skihütte aus der Zigarettenreklame, der an seiner Marlboro saugt, als lade er auf diese Weise seine Batterien auf, der Typ, von dem du von vornherein weißt, ß er Mozart ebenso wie Billie Holiday mag und ein recht guter Kenner französischer Weine ist.
    Also, den Teil hätten wir. Und ich mußte zugeben, ß ich bisher noch keinen solchen Sklaven gesehen hatte. Traummaterial, nur ß ich es nie geträumt habe. Liest russische Romane von Anfang bis Ende.
    Aber was ist mit dem Rest, dem Blick in seinen Augen, das seltsame, vertrauliche Lächeln, die Art, wie er mir sagte , daß er Angst vor mir habe, die verdammt dreisten Bemerkungen niemand hat sich das jemals getraut und diese sonderbare Energie, die alle Stromkreisläufe drohte, sobald wir uns berührten?
    Als Schülerin habe ich mich nie verliebt, den Quatsch, manche Typen »küßten« besser als andere, nie geglaubt. Aber, verflucht, wenn er nicht weiß, wie man üßt! Er üßt, wie ich mir vorstelle, ß Männer einander küssen, grob und sinnlich und von solcher Zuneigung, wie sie nur zwischen Ebenbürtigen bestehen kann. Ich würde jederzeit mit ihm auf den Rücksitz eines Chevrolet krabbeln und so stundenlang küssen. Aber Typen küssen einander nicht auf Autorücksitzen, oder?
    Was, zum Teufel, ist los?
    Wir waren bei den drei Pfählen angelangt. Okay Er stand tatsächlich unter Hochspannung.
    Weißes Licht flutete auf die drei runden Zementsockel. Jeder Sklave war am Hals an einen Pfosten gebunden, der ihm bis ans Kinn reichte. Eine Schlange von Sklaven wartete, bis sie an der Reihe waren, nur zwei von ihnen mit Augenbinde, einer geknebelt.
    Die Zuschauer waren um neun Uhr abends von der üblichen Sorte: fünf oder sechs Drinks, und keiner muß mehr fahren, denn wir sind ja zu Hause. An den Tischen auf den erhöhten Terrassen saßen jene Gäste, die keinen Hehl daraus machten, daß das ganz einfache Peitschen sie antörnt. Spiele und Wettkämpfe finden sie albern. Es macht nichts, daß das Peitschen zu fünfzig Prozent Show und Krach ist.
    Dazu die, die sich treiben ließen; gut hundert davon lungerten mit einem Glas in der Hand vor der Bühne herum.
    Der Aufseher, ein ziemlich ruppiger, grober junger Mann, den ich nicht kannte, führte Elliott an die Seite, doch Elliott drehte den Kopf, um die anderen Sklaven zu sehen, und der Aufseher versetzte ihm einen strafenden Hieb mit dem Riemen.
    Ich schob mich ein Stück näher. Ich hatte beinahe Lust, ihm selbst das Geschirr anzulegen, aber die Treiber machen das besser und schneller. Sie haben mehr Übung. Ich ging gerade so nah heran, daß ich nicht störte.
    Elliott schaute mich eine Sekunde lang an. Ein kleiner Muskel zuckte auf seiner Wange, und sein Gesicht war dunkelrot.
    Der Treiber legte ihm den dicken weißen Lederriemen um die Brust und fesselte dann seine Hände an den Gurt im Rücken.
    Es machte ihn wahnsinnig. Er schaute in die Menge, und ich sah, daß seine Augen glasig wurden.
    Ich berührte ihn immer wieder mit einem Fingerdruck, ohne daß er es bemerkt hätte. Er starrte unverwandt auf den Pfahl, ohne mich zu registrieren, und sein Mund verzog sich; er sah ziemlich boshaft aus.
    Als der Treiber ihm das Lederhalsband anlegte, glaubte ich, er würde sich wehren. Beinahe tat er es.
    »Nimm's leicht«, sagte ich.
    Es ist ein

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