Exit
Wangen, eine Narbe quer über die Stirn, eine Tätowierung auf dem Handrücken.
Und der Schweiß. Eine Schweißschicht so glänzend wie frischer Lack.
Er stand auf. Seine Augen waren hart und schmal; er hatte riesige Hände und dicke Unterarme mit weiteren groben blaugrünen Tätowierungen.
Er nahm seine Bücher und trat mit gesenktem Kopf vom Tisch zurück.
»Keine Mätzchen«, warnte Milo.
Der Mann blieb stehen, duckte sich und versuchte, Milo die Bücher an den Kopf zu werfen. Dann rannte er zur Tür.
Ich stellte mich ihm in den Weg, aber er rammte mich mit voller Wucht mit seiner Schulter, so daß ich gegen die Tür geworfen wurde. Die Tür sprang auf, ich stürzte rückwärts auf den Zement und landete hart auf dem Steißbein. Ich streckte die Arme aus und kriegte zwei Hände voll Seide zu fassen. Er fiel auf mich und boxte sich verzweifelt frei.
Milo zog ihn weg, schlug ihm blitzschnell ins Gesicht und in den Bauch und drückte ihn gegen die Wand. Der Mann wehrte sich, bis Milo ihm einen harten Nierenhaken verpaßte. Er sank stöhnend zusammen, und Milo legte ihm Handschellen an. Dann legte er ihn flach auf den Bauch und drückte ihm sein Knie aufs Kreuz.
Die Durchsuchung erbrachte einen Stapel Banknoten, ein Klappmesser mit schwarzem Griff, ein Röhrchen Pillen und eine billige Plastikbrieftasche. Milo leerte sie aus und fand drei Führerscheine.
»Sieh mal an, was haben wir denn da? Sobran, Karl mit K, Sebring, Carl mit C, und … Ramsey, Clark Edward. Da kann ja wohl nur einer echt sein, mein Kleiner, oder leidest du vielleicht an Persönlichkeitsspaltung?«
Der Mann sagte nichts. Milo trat sanft gegen einen der schwarzen Schuhe. »Die Machart kenn ich. Hast du die im Bezirksgefängnis gekauft, oder war es ein Staatsgefängnis?«
Keine Antwort.
»Du brauchst neue Absätze, Bücherwurm.« Dann wandte sich Milo zu mir und sagte: »Ruf die Polizei in Devonshire an. Sag, wir haben einen Verdächtigen in einem Mordfall des City-Reviers. Gib ihnen Denise Herberts vollen Namen.«
Der Mann auf dem Boden rührte sich und sagte: »So ein Quatsch.« Seine Stimme klang tief und gepreßt.
Eine der jungen Studentinnen - zwanzig oder einundzwanzig Jahre alt mit Engelsgesicht - kam zu uns heraus und sagte ängstlich: »Kristie geht es gar nicht gut.«
»Sagen Sie ihr, daß wir uns in ein paar Minuten um sie kümmern werden«, sagte Milo.
»Ja, danke. Was hat Karl denn angestellt?«
»Bei den Hausaufgaben gepfuscht.« Der Mann am Boden knurrte.
»Hält's Maul!« rief Milo. Das Mädchen zuckte zusammen.
Milo beruhigte sie: »Keine Sorge. Gehen Sie nur rein und warten Sie.«
»Das ist doch nicht wieder so ein Experiment, oder?«
»Ein Experiment? Was meinen Sie?«
»Ein Rollenspiel. Dr. Jones macht manchmal solche Sachen.«
»Das glaube ich sofort. Aber nein, Miss, das hier ist echt.
Soziologie in Aktion. Schauen Sie es sich genau an - es könnte in der Abschlußprüfung vorkommen.«
35
Der Umschlag kam um sieben Uhr abends per Bote, kurz bevor Ruth nach Hause kam. Ich legte ihn beiseite und versuchte, einen normalen Abend mit ihr zu verbringen. Nachdem sie schlafen gegangen war, öffnete ich das Kuvert, zog mich in meine Bibliothek zurück und las.
VERNEHMUNGSPROTOKOLL AZ#102-789793/#64-458990/# 135-935827 ORT: L. A. Stadtgefängnis, Hochsicherheitstrakt ZEIT: 1.6.89, 19:30 VERDÄCHTIGER: Jones, Charles, Lyman III., männl., weiß, 190 cm, braun, blau, 38 Jahre ANWALT DES VERDÄCHTIGEN: Tokarik, Anthony M.
VERNEHMENDE POLIZEIBEAMTE: Milo B. Sturgis #15994, West L. A. (Sonderkommando); Stephen Martinez #26782, Devonshire STURGIS: Dies ist die zweite Vernehmung des Verdächtigen Charles Lyman Jones III. Der Verdächtige ist bei seiner Verhaftung wegen versuchten Mordes über seine Rechte belehrt worden. Die Rechtsbelehrung wurde während der ersten Vernehmung, am ersten Juni 1989 um elf Uhr, wiederholt und auf Tonband aufgenommen und am selben Tag um vierzehn Uhr niedergeschrieben. Besagte Vernehmung wurde auf Antrag des Rechtsbeistands des Verdächtigen, Mr. Anthony M. Tokarik, unterbrochen. Die jetzige Vernehmung stellt die auf Mr. Tokariks Wunsch anberaumte Wiederaufnahme des besagten Verhörs dar. Soll ich die Rechtsbelehrung wiederholen, Herr Rechtsanwalt, oder erachten Sie die Prozedur zu Beginn der früheren Vernehmung als hinreichend? TOKARIK: Sie genügt, es sei denn, Professor Jones möchte eine Wiederholung. Chip?
JONES: Nein. Laßt uns die Sache hinter uns bringen. T.: Bitte beginnen
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