Expedition ins Paradies
befreien. Wie durch ein Wunder hatte er auf der Rückbank geschlafen und war nicht ernstlich verletzt worden, obwohl das eingeschlagene Dach ihn hätte erdrücken können. Der Glückspilz hatte einige Kratzer abbekommen, mehr aber nicht. Doch den Geländewagen hatte es erwischt. Er war nicht mehr fahrtüchtig. Ein Abschleppwagen musste bestellt werden.
Das traurige Ende einer Campingtour, dachte Elizabeth, der die Leute Leid taten.
Nachdem der unter Schock stehende Mann und seine Frau von Freunden betreut wurden, unter denen ein Arzt zu sein schien, und jemand den zuständigen Ranger und einen Abschleppwagen gerufen hatte, kam Tom zu Elizabeth und drängte sie, sich wieder hinzulegen.
“Du solltest jetzt versuchen, noch etwas Schlaf zu bekommen”, riet er. “Vergiss nicht, dass wir frühzeitig aufbrechen wollen.” Seine Stimme klang bedauernd - und so zärtlich, dass Elizabeth erschauerte. “Ich helfe hier, den Ast wegzuräumen, danach werde ich den Rest der Nacht auf dem Rücksitz verbringen.” Er deutete auf seinen Geländewagen.
Nachdenklich musterte Elizabeth Tom. Warum hatte er sich nicht gleich ins Wageninnere geflüchtet, als der Wolkenbruch einsetzte, statt zu ihr ins Zelt zu kriechen, in dem eigentlich nur ausreichend Platz für eine Person war?
Seine Augen funkelten, als wüsste er, was Elizabeth dachte.
Es schien ihn sogar zu amüsieren. Doch er sagte nichts. Aber vielleicht war er auch blindlings zu ihrem Zelt gestürzt, weil er sich so schnell wie möglich vor den Wassermassen hatte retten wollen.
Oder hatte er sich das ganz genau überlegt?
Ein Schauer überlief Elizabeth. Was wäre geschehen, wenn der Ast nicht abgebrochen wäre und die Frau nicht geschrieen hätte? Hätte Tom sie, Elizabeth, dann leidenschaftlich geliebt?
Sie hatte den Kopf verloren und war nur zu bereit gewesen, sich ihm willig zu schenken.
Aber was wäre nach dieser leidenschaftlichen Nacht mit Tom gewesen, der sie schon einmal maßlos verletzt hatte und es auch jetzt nur zu leicht wieder tun konnte? Er war der einzige Mann, den sie je geliebt hatte - und immer noch liebte, trotz der grausamen Erfahrung, die sie mit ihm gemacht hatte. Aber wenn er sie nur begehrte? Wenn er lediglich eine kurzlebige Affäre suchte, ehe er sich wieder davonmachte? Ein zweites Mal würde sie darüber nicht hinwegkommen.
Es kann wieder so schön wie früher mit uns werden, hatte Tom gesagt. Wenn du mir nur eine Chance gibst … eine Chance, dir alles zu erklären.
Was wollte Tom ihr erklären? Sie hatte ihm nicht zuhören wollen. Nicht in dem Moment.
Doch irgendwann morgen musste sie es wissen, wie schwer oder unerträglich es für sie auch sein würde. Sie wollte alles hören. Zwischen ihnen durfte es keine Geheimnisse mehr geben.
Welcher Art auch immer.
11. KAPITEL
Elizabeth schlief so fest, dass nicht einmal das lautstarke Gezwitscher der Vögel sie am Morgen aus dem Bett treiben konnte.
Murrend regte sie sich und wäre am liebsten wieder in den angenehmen Schlummer, die schönen Träume zurückgeglitten…
Aber schien da nicht die Sonne?
Benommen wankte Elizabeth aus dem Zelt und fragte sich, warum Tom sie nicht geweckt hatte. Jetzt hatten sie den Sonnenaufgang über den Yellow Waters verpasst! Doch das machte ihr im Augenblick nicht so viel aus, denn die Erinnerungen an die Nacht wurden wach. Jetzt war es ihr viel wichtiger, zu hören, was Tom ihr zu sagen hatte. “Gib mir eine Chance, dir alles zu erklären”, hatte er gebeten. In banger Erwartung hielt Elizabeth nach Tom Ausschau.
Er stand an der Tür seines Geländewagens und telefonierte per Handy. Sobald er Elizabeth bemerkte, beendete er das Gespräch. “Gut, Jane … bis dann. Ich freue mich schon. Mach’s gut.”
Jane? Elizabeth blieb stehen. Hatte Tom sie etwa wegen dieser Jane nicht geweckt? Weil er diese Frau hatte heimlich anrufen wollen? “Bis dann”, hatte er gesagt. Nic ht “bald” oder
“wenn ich zurück bin”. Das konnte doch eigentlich nur “heute” bedeuten!
Zögernd ging Elizabeth auf Tom zu. “Guten Morgen”, begrüßte sie ihn einsilbig. Die Ungewissheit war quälend. Elizabeth sah Tom an und wartete auf eine Erklärung.
“Ach Beth … eine kleine Programmänderung. Du hast doch sicher nichts dagegen, den Ausflug zu den Yellow Waters um einen Tag zu verschieben, oder? Den Sonnenaufgang hätten wir heute sowieso verpasst.”
Unsicher befeuchtete sie sich die Lippen. “Nein … natürlich nicht.” Zum ersten Mal war ihr das Malen
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