Expedition Mikro
Es war also nichts weiter zu tun, als zu warten, das heißt die Geräte zu überwachen.
Sie hatten auf der Lichtung einen getarnten Iglu aufgestellt und bequem eingerichtet. Hal brachte sich die neuesten Aufzeichnungen über eine Verbesserung an den Katalysatoren aus dem Kombinat mit und betrachtete das ganze zunächst als eine Art zusätzlichen Erholungsurlaub. Niemand rechnete damit, daß die Kleinen gleich wiederkommen würden.
Als Hal und Djamila am nächsten Tag zu ihrer regulären Mittagsschicht kamen, merkten sie bereits vor dem Wald, daß etwas geschehen sein mußte. Drei Gleiter standen dort.
Sie gingen, rannten zur Lichtung.
Die Bühne war ausgefahren, Professor Fontaine und einer seiner Assistenten standen oben. Die Kollegen, die von Hal und Djamila eigentlich abgelöst werden sollten, saßen im Iglu vor dem Schirm und dachten offenbar nicht im entferntesten daran, nach Hause zu gehen.
Mit einem Blick sahen Djamila und Hal, daß oben auf dem Flugfeld noch ein Hubschrauber stand und daß sich zwei Menschen, die Vergrößerung ließ kein Zweifel, an den Tafeln bewegten.
Ja, von diesen Tafeln versprachen sie sich einiges: Sie hatten einen Text in Antik-Englisch formuliert, ihn auf diese Tafeln geschrieben und sie in einer Reihe aufgestellt, entsprechend verkleinert natürlich. Im wesentlichen bat der Text die Kleinen um Kontaktaufnahme mit den Großen.
Die beiden Menschlein hatten Kästchen umgehängt – »Fotoapparate« flüsterte einer der beiden Techniker – und waren dabei, jetzt wurde ihnen auch das klar, die verschiedenen Tafeln nacheinander zu fotografieren.
Professor Fontaine hatte darauf bestanden, auf den Tafeln etwas von der Menschheitsentwicklung zu vermerken. Der größte Teil des Textes befaßte sich freilich mit Vorschlägen, wie man zueinander in Kontakt treten könnte.
Obwohl nicht viel auf diese Tafeln geschrieben werden konnte, war das Abfassen des Textes nicht ohne Schwierigkeiten verlaufen. Zu meiner These hat sich der Professor nicht geäußert, dachte Hal. Den kugligen Kopf hatte er ein wenig hin und her bewegt, etwas gebrummt und eines seiner Plätzchen in den Mund geschoben. Aber es schien, als sei er nachdenklich geworden. Trotzdem, und Hal spürte erneut etwas wie Stolz, hat meine Entdeckung bei der Formulierung eine Rolle gespielt. Wir dürften uns keine Blöße geben, sollten die anderen aber auch nicht erschrecken, hatte Gwen mitgeteilt. Denn angenommen, sie stammten aus dieser ehemals herrschenden Klasse, dann könnten sie unsere Welt kaum verstehen. Geld, Hal lächelte, Grundlage ihrer Existenz, ihrer Macht, gibt es nicht mehr, zumindest hat es seine Bedeutung völlig eingebüßt.
Die Frage ist: Würden sie begreifen, daß bei den meisten Dingen jeder nimmt, was er braucht? Und daß auch jeder sich entsprechend verhält? Wie kämen diese Leute, die meist ein luxuriöses, überspanntes Leben führten, mit den Leistungsbons zurecht? Und – weil sie niemand für sie tut – mit eigener Arbeit?
Ich erhalte, wenn alles glatt läuft im Betrieb, zwanzig Bons im Monat, Djamila bis fünfundzwanzig. Würden sie alle zu Weintrinkern werden, weil Wein Konsumgut ist und keinen Bon kostet, während pro Flasche Sekt einer gegeben werden muß, je Flasche stärkeren Alkohols sogar drei? In ihrer Zeit rauchte faßt jeder zweite Erwachsene, würden sie es sich jetzt abgewöhnen, weil für zwanzig Zigaretten wegen ihrer gesellschaftlichen Unnützlichkeit vier Bons abgeliefert werden müssen?
Da gab es Finanzökonomie, und ganze Scharen waren damit befaßt, bei ihnen – auch bei uns, früher. Was hätte es aber bei uns für einen Sinn, für Investitionen Abschreibungen vorzunehmen, Abgaben und Steuern zu erheben? Wie ein – Hal fiel im Augenblick kein anderer Vergleich ein – Hamster, der die Beute von einer Backentasche in die andere schiebt. Würden sie das begreifen?
Es wird geforscht und produziert, vom Rat gelenkt und koordiniert, was gebraucht wird. Was an Unregelmäßigkeiten vorkommt, schlichten die territorialen Sicherungsorgane. Aber da wird nichts mehr transferiert, nicht spekuliert, statistisiert und manipuliert. Ob das in solche Gehirne einginge? Muß man da nicht hineingewachsen sein?
Aber das alles konnte selbstverständlich nicht auf ein paar Tafeln geschrieben werden, vor allem auch deshalb nicht, weil Hals These bisher durch nichts bestätigt war. Er konnte sich gut Djamilas Grimassen und Gwens Feixen vorstellen, wenn sich seine Befürchtungen als falsch
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