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Export A

Export A

Titel: Export A Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kränzler
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⁠…«
    Ich leere mein Glas. Kim brüllt.
    »MOHOOM? CAN I HAVE A SODA ?«
    Im Wohnzimmer wird der Fernseher leiser und Monas Stimme lauter.
    »NO you cannot! It’s almost bedtime. Go brush your teeth!«
    »BUT I WANT A SODA !!«
    »It has too much sugar. You’ll be up all night.«
    »I WANT A SODA !!«
    »You better stop arguing with me Kim!«
    Kims braungestreiftes rechtes Bein stampft wütend mit dem Fuß auf.
    »SODA, SODA, SODA !!«
    Kreischend stürmt sie Richtung Küche.
    Erleichtert taste ich nach Flasche und Discman,und höre noch Monas »No TV tomorrow!«, bevor ich die Play-Taste drücke. Exakt 4 min 25 sec später ist Kim mit Zornestränen im Augen- und Zahnpasta im Mundwinkel wieder zurück. Neugierig beäugt sie den Discman, rutscht näher, will mithören. Ein Lauschersandwich aus meinem und ihrem Ohr entsteht, belegt mit einer dicken Scheibe Kopfhörer. Ich unterbreche Robert Plant rüde mit der Stop-Taste und schiebe Kim, den Quälgeist, von mir. Bei leicht geöffnetem Mund und panisch hin und her flitzenden Pupillen rattert es in ihrem schmalen Schädel. Fiebrig fingern dünne Daumen am Gummizug der Schafanzughose, wohlwissend, dass ihr nur noch wenige Sekunden bis zum Rausschmiss bleiben. Kostbare Sekunden, die es zu nutzen gilt. Irgendein Anliegen, irgendein Vorwand muss her, um ihr Verweilen auszudehnen.
    Meine anhaltend schillernde Verfassung stimmt mich milde. Seufzend hebe ich die Augenbrauen.
    »What is it Kim?«
    Strahlende Dankbarkeit. Unkontrollierte, freudige Bewegungen. Wild gestikulierende Arme, die durch die Luft wedeln, wie die Schwänze wuseliger Hundewelpen.
    »Can, can, can I ⁠… Can I show you something?«
    Mit der Rechten mache ich eine großzügige Geste.
    »Go ahead.«
    Kurzes Zögern. Misstrauischer Blick zur Tür. Schamhaftes Senken der Lider. Über die Wangen fliehen Flamingofarben. Schließlich ein Ruck. Entschlossenes Aufstehen und Schließen der angelehnten Tür. Ein gerader, herausfordernder Blick in meine Augen, ein letztes kleines Zögern. Dann folgt ein blitzschnelles Bücken. Zwei kleine Füßchen trampeln und strampeln sich frei.
    Verblüfft sehe ich sie nackt auf mich zukommen, presse den Rücken gegen das Bett und versuche, Abstand zu Kims Scham zu bekommen, die sie mir unverfroren aufdrängt.
    »Does this look normal to you?«, fragt sie, während zwei Fingerchen an den Hautlappen zwischen ihren Beinen herumzupfen.
    Ich starre auf den quarkweißen Hügel, auf dessen bräunlich-rötlichen Ausläufern vereinzelte Härchen sprießen.
    Ein kleiner Gletscher unter der großen Bauchebene. Die beiden, vom Tauwetter bereits schlammig und erdig eingefärbten Arme scheinen schwarze Bäumchen mit gekräuselten Astenden umgerissen zu haben. Ungeduldig reißt und zieht und zupft das Kind, und was ich sehe, erinnert mich an Klatschmohn. Verdammt lang her. Wir sammelten die grünen, haarigen Knospen in den speckigen Fäustchen, um sie vor dem Blühen aufzunesteln. Unsere dicken Fingerchen mit den weichen Nägeln pulten im Grün und fischten nach den knittrigen Blütenblättern. Die Knospen, aus denen es schon rot hervorquoll, nannten wir »Teufelchen«. Die, die noch ungefärbt und unschuldig, grünlich-weiß in ihrer Knospenhülle schlummerten, waren die »Engelchen«. Was Kim da zerzaust und zerrupft, hätte wohl ohnehin seine Knospe gesprengt und sich seiner Kelchblätter entledigt. Zerschlitzt, gekerbt, rosa-rot gefältelt, schrumpelig wie Dörrzwetschen, fransig zerknittert wie die Kronränder von Nelken quillt und schwillt da ein zentimeterlanger, knotiger Hautfetzen zwischen zwei Lippen hervor.
    »My mom says it’s so long because I always pick on it!«
    »Looks normal to me«, lüge ich, während ich versuche, Kim ­beiseite zu drängen. »Now put your damn clothes back on, will you?«
    Monas »Time-to-go-to-bed«-Rufe befreien mich von meinem allzu freizügigen Gast.
    Ernüchtert von dieser unerwartet schamlosen Darbietung sinke ich in die Kissen.
    Ich kann nicht schlafen. Wünsche mich zurück in die Centennial.
    Denke an die Nächte, in denen Josh, Bernie und ich uns um den vom Nachbarn geborgten Elektroofen aalten, wobei die Sohle eines vergessenen Turnschuhs mit den Heizstäben verschmolz.
    Und ich denke noch weiter zurück. Erinnere mich an die Zeit, als ich die Teufelchen noch sicher verwahrt in den Fäusten spazieren trug, und der Schlaf süßer war als die zuckrigste Soda.
    Regungslos liege ich da, fest eingesponnen in meine Erinnerungen.
    Schließlich

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