Extraleben - Trilogie
nicht wegwerfen. Die Zeit für meine Attacke ist gekommen.
»Alter, du musst dir unbedingt nochmal den Grid ...«
Gelangweilt hält mir der Beifahrer seine Handfläche mitten vors Gesicht.
»Gleich! Jetzt schauen wir erst mal, ob wir allein sind. Komm.«
Er macht seine Hose zu, geht zur Zimmertür rüber und hockt sich direkt davor auf den Boden.
»Jetzt komm schon!«, zischt er genervt rüber. Was wird das wieder für eine Geheimaktion? Nachdem ich mich brav neben ihn auf den Fußboden gesetzt habe, greift er nach oben zu dem Kästchen, in das man die Codekarte stecken muss, damit der Strom im Zimmer angeht. Er zwinkert mit dem Auge und legt den Zeigefinger vor die Lippen.
»Psst, Wir tun jetzt mal so, als ob wir noch um die Häuser ziehen würden.«
Gottseidank nur so tun also ob, dafür hätte ich keine Energie. Schnipp, er zieht die Karte raus, und sofort fällt der Raum in tiefen Schlaf. Licht und Fernseher gehen aus, nach ein paar Sekunden auch die Lüftung im Bad. Wir kauern bewegungslos auf dem Boden, hören dem Säuseln der Klimaanlage zu und warten. Aber worauf - Duke Nukem Forever? Was soll jetzt passieren? Ist gar nicht so lange her, dass wir das letzte Mal so nebeneinander gekauert haben. Nur ...fünfundzwanzig Jahre. Lustig, so was sagt man immer häufiger: Ist noch nicht lange her, nur fünfzehn Jahre, oder doch schon zwanzig? 25 Years - hieß nicht mal ein One-Hit-Wonder-Hit so? Als Teenies kamen uns zweistellige Zeitspannen völlig surreal vor, das passt zur Wie-wir-uns-das-Leben-vorgestellt-haben-Diskussion von gestern. Muss ich Nick mal sagen, wenn wir wieder sprechen dürfen. Jedenfalls hockten wir damals genauso nebeneinander, auf dem Boden der alten Ziegelei. Wir, die Spätentwickler, waren noch ziemlich dick drin in der Pubertät und immer auf der Suche nach was Verbotenem. Natürlich nichts wirklich Illegalem; wir suchten eher nach der soften Variante von illegal, in Richtung Ordnungswidrigkeit. So etwas wie durch ein Loch im Zaun heimlich auf das Gelände einer alten Ziegelei zu klettern. Einen Sommer lang war sie also unser Abenteuerspielplatz, die Ziegelei. Und obwohl wir für solche Vorstadtkrokodile-Aktionen eigentlich schon viel zu alt waren, sind wir jeden Samstagnachmittag rüber, haben mit der Luftpistole von Nicks Vater auf alte Ölfässer geballert - oder einfach nur auf einer Backsteinmauer gesessen und darüber geredet, ob Dolby B oder C besser klingt. Da der Betrieb kurz vor der Pleite stand, war es ein ungefährlicher Gesetzesbruch. Arbeiter sah man so gut wie nie; die Gefahr, entdeckt zu werden, ging gegen null. Außerdem kannten wir nach einem Dutzend Forschungs-Exkursionen jeden Meter und fühlten uns fit genug, alle Verfolger einfach abzuhängen. Es würde schon gutgehen. Die Ziegelei sah aus wie die Welt von Myst, nur in der Fünfzigerjahre-Version. Über das ganze Gelände waren Gruben verteilt, aus denen früher der Ton geholt wurde. Einige der Krater hatten Brennnesseln überwuchert, andere waren zu kleinen Seen geworden. Von den Gruben aus führten die verrosteten Schienen einer Schmalspurbahn zum Brennofen und dem Lager dahinter. Und da saßen wir da an diesem einen Nachmittag im Juli, unsere Ärsche so dicht an den Boden gedrückt, wie es nur irgendwie ging. An diesem Tag war nämlich nicht alles gutgegangen. Wir hatten den Bogen überspannt: Statt wie immer den Weg durch den Zaun zu nehmen, hatten wir uns in den Kopf gesetzt, einfach durchs Eingangstor zu marschieren, am helllichten Tag, vorbei an der Stechuhr. Die Strafe ließ nicht lange auf sich warten: Gleich hinter der Werksmauer bemerkte uns ein Blaumann und die Jagd begann. Wir rannten sofort los, rein ins Lager, erstmal auf Tauchstation gehen. Doch der Typ war hartnäckig: Gang für Gang klapperte er die Regale ab, während er zwischendurch wütend rumkrakeelte.
»Ich finde euch!« oder »Scheisspack!«.Er klang nicht sympathisch, eher nach Merkur-Sektor und einem Tattoo auf dem Unterarm, das er sich im Knast selbst mit einem Füller reingestochen hat. Als er so dicht an unserem Versteck dran war, dass man schon seinen Schnäuzer im Halbdunkel erkennen konnte, rannte ich einfach los, ohne Nick zu warnen. Das war ein Fehler. Denn der kauerte, völlig geplättet, noch einige Schrecksekunden länger am Boden, bevor er auch startete. Aber da war es schon zu spät: Als ich mich im Rennen noch einmal umsah, hatte der Arbeiter seinen Arm erwischt und zerrte wild an ihm rum. Ich hielt nicht an. Nein, ich
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