Extraleben - Trilogie
intensivere Bart-Reibung. Alter, davon wird's auch nicht mehr ...
»Also: Ein Einundfünfzig-zehn steht im IBM-Museum, da kommen wir nicht ran. Dann gibt's noch zwei oder drei Typen in Deutschland, die einen haben, der noch funzt. Bei denen könnte man vorbeifahren und das Tape auslesen.«
Er nickt zufrieden.
»Ja, könnte klappen -vorausgesetzt, die sind da und so.«
Unvermittelt springt er von seinem Platz hoch.
»Ich werde gleich mal anrufen. Warteste hier?«
»Ock.«
Zack, und schon ist er zur Tür raus. Als er mit großen Schritten vorm Schaufenster vorbeigeht, sieht man, wie das große Datentape in seiner rechten Hosentasche hin-und herschlackert. Er hat es natürlich nicht in der Pension liegen lassen. Im Grunde genommen ist Nick eine einzige große Indifference Engine: Solange er sein Ding machen kann, geht ihm der Rest der Welt am Arsch vorbei. Deshalb hat er auch so lange ausgeblendet, dass die Datacorp ein semikrimineller Haufen ist, der auf so ziemlich jeden Deal eingeht, mit dem sich etwas verdienen lässt. Solange er seinen Familie-Dienstwagen-Eigenheim-Traum durchziehen konnte, spielte es keine Rolle. Um vor sich selbst bestehen zu können, hat er den Job sogar noch ein bisschen romantisch angepinselt, schwafelte ständig davon, dass wir ja »wie Indiana Jones, nur mit Computern« seien. Früher war er dem Kommerz nicht so zugetan. Nach den 64erJahren auf der Schule fühlte er sich ja zu Höherem berufen und musste unbedingt Informatik anstudieren. Während ich also im Wiwi-Bunker den Nachwuchsmanager mimte, glitt er in die richtig harte Nerd-Szene ab, kiffte mit so Richard-Stallman-Schraten. Ey du, Informationen müssen frei sein und die ganze Informatiker-Folklore. Mit Leuten, die die A20-Line für eine Warteschlange am Flughafen-Gate hielten, redete er gar nicht mehr - mit dem Erfolg, dass er bald noch einsamer war als ohnehin schon.
»Ich bin nicht antisozial, ich bin nur nicht benutzerfreundlich«, lautete sein Lieblingsspruch. Die ganzen Informatiker-Ideale hat er dann aber ziemlich schnell entsorgt, nachdem uns die Datacorp unter ihre Fittiche genommen hat. Eigentlich eine ganz witzige Rochade: Plötzlich war Nick es, der auf Führungskraft machte, mit seinem ganzen Gewäsch von »Deal Breakern« und »Lessons Learned«.
Er ging von Anfang an in dem ganzen Business-Gekaspere voll auf, am liebsten hätte er John sicher mal zum Abendessen nach Hause eingeladen. Die vorzeigbare Trophäen-Gattin beköstigt den Chef - ein Traum. Im Moment scheint die Begeisterung für seinen Arbeitgeber allerdings einen Nullpunkt erreicht zu haben. Mit versteinerter Miene starrt Nick auf seine Füße, während er versucht, beim Gehen keine der Fugen zwischen den Betonplatten zu berühren. Sein Masterplan ist nämlich innerhalb von zehn Minuten den Bach runtergegangen. Nachdem er in einem indischen Call-Shop seine Nerd-Kumpel durchtelefoniert hatte, kam er mit einer niederschmetternden Botschaft ins Cafe zurück: Beide Jungs hatten ihren IBM vorgestern verkauft. Anders als bei der Nasa gilt bei uns halt: Failure is always an option!
»Diese Schweine«, grummelt Nick in sich hinein.
»Wer, die Jungs?«
»Nein, Mann, die Company!«
»Glaubst du echt, dass die Datacorp dahintersteckt? Ich meine -könnte doch auch ein Zufall sein. Du hast selbst gesagt, dass die IBM-Dinger begehrte Museumsstücke sind.«
»Hallo?«
Er klingt richtig zickig.
»Ein Tag. bevor wir einen IBM einundfünfzig-zehn brauchen, taucht bei beiden führenden Retrocomputing-Freaks in Deutschland ein Amerikaner auf, der ihnen die Kisten zu einem totalen Mondpreis abkauft. Komm schon .. «
Schweigend schlurfen wir die letzten Meter zur Pension zurück. Die Gegend ist wirklich vom Allerfeinsten. Wir passieren ein Eros-Center, das Hotpants aus schwarzem Lack für Sie und Ihn ausstellt, gleich dahinter kommt der Eingang zu »32 klimatisierte Einzelkabinen«, in denen der stilvolle Schrubber einkehren kann. Es folgen ein Leihhaus, drei Dutzend Handyshops und ein Penny-Markt. Wir schlorren missmutig weiter, bis man das Neonschild des türkischen Kiosks an der Ecke erkennen kann, mit dem sich unsere Pension die Hausnummer teilt. Jetzt müsste es theoretisch erlaubt sein, über das Abendprogramm nachzudenken, finde ich. Wir haben doch langsam das Zauselalter erreicht, in dem man zum Table Dance gehen kann.
»Alter, was hältst du davon, wenn ...«
Auf einmal reißt Nick seinen Arm aus der Hosentasche und schubst mich mit voller Kraft in den
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